Kritische Anmerkungen von Dr. Perterer zur Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers:
Völlig klar und unmißverständlich war das grundsätzliche Thema der parlamentarischen Anfrage:
"... die völkerrechtliche Bedeutung und die innerstaatliche Umsetzung von Entscheidungen des UNO Ausschusses für Menschenrechte in Österreich ..."
Es folgen dann 12 konkrete Fragen an den Bundeskanzler.
In der Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers vom 21.02.2006 wird jedoch lapidar folgende Feststellung getroffen:
"Angelegenheiten der Verhandlung von Staatsverträgen, der Vertretung der Republik Österreich gegenüber sonstigen Völkerrechtssubjekten einschließlich internationaler Organisationen sowie der Verkehr mit diesen und sonstige Angelegenheiten internationaler Organisationen fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzlers"
Das ist eine glatte NULL-Antwort auf die gestellten Fragen. Wenn der Bundeskanzler schon behauptet, für die Fragebeantwortung unzuständig zu sein, hätte er die Anfragebeantwortung nach den allgemeinen Grundsätzen für Verwaltungsbehörden ohne Verzug an die zuständige Behörde / das zuständige Ministerium / die zuständige Abteilung weiterleiten müssen.
Offensichtlich ist der Bundeskanzler mit seiner Sicht der Zuständigkeit allein auf weiter Flur, wenn man beachtet, dass
- Bundespräsident Dr. Heinz Fischer mit Schreiben vom 03.09.2004 Bundeskanzler Dr. Schüssel ersucht, mit Dr. Perterer direkt Verbindung aufzunehmen und um informative Berichterstattung ersucht wird ....
- Das Präsidium des Verwaltungsgerichshof mit Schreiben vom 12.09.2004 darauf hinweist, dass die Koordination von Menschenrechtsangelegenheit in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes (Verfassungsdienst) fällt ...
- Die Permanent Mission of Austria am 30.10.2004 an den UNO Ausschuß für Menschenrechte eine "floskelstrotzende" jedoch inhaltsleere Mitteilung macht ... Dies ist wohl als Antwort der Republik Österreich als Vertragsstaat und nicht als Mitteilung des Bundeslandes Salzburg anzusehen ...
- Univ.-Prof. Dr. Nowak in seiner Stellungnahme vom 04.10.2005 eindeutig klar stellt, dass sich die Verpflichtung zur innerstaatlichen Durchsetzung der VIEWS vom 20.07.2004 an die Bundesregierung und damit in erster Linie an Bundeskanzler Dr. Schüssel als Regierungschef richtet.
- Univ.-Prof. Dr. Funk und Univ.-Prof Dr. Morawa in ihren Stellungnahmen zum gleichen Ergebnis kommen.
Zumindest hat der Bundeskanzler sein bisheriges Schweigen gebrochen, wenngleich die Antwort so und mit dieser Aussage nicht hingenommen werden kann. Bundeskanzler Dr. Schüssel bleibt damit nicht nur den GRÜNEN im Parlament eine Antwort auf 12 konkrete Fragen schuldig, bzw. äußert er sich auch nicht andeutungsweise darüber, wer denn seiner Ansicht nach für die Fragebeantwortung zuständig sei. Er bleibt damit auch eine grundsätzliche Antwort auf die Sinnhaftigkeit einer Beschwerdeführung an den UNO Ausschuß für Menschenrechte schuldig.
Was macht es für einen Sinn, nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges eine Individualbeschwerde zuzulassen, wenn hinterher dem Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf mangelnde Rechtsverbindlichkeit die innerstaatliche Umsetzung seines Rechtes verweigert wird?
Warum wird vom Nationalrat 1978 der Menschenrechtspakt der Vereinten Nationen mit Gesetzesvorbehalt ratifiziert, aber seit 28 Jahren kein entsprechendes Gesetz durch den Nationalrat beschlossen, um den Pakt in das System der Österreichischen Rechtsordnung zu transformieren und damit direkt anwendbar und verbindlich zu machen?
Warum wurde dann trotzdem 1988 durch Unterzeichnung des Fakulativprotokolles eine Individualbeschwerde zugelassen, wenngleich schon zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Gesetz gefehlt hat. Haben sich denn die Abgeordneten im Nationalrat dabei gar nichts gedacht?
Wer trägt die politische Verantwortung für die bisherige Unterlassung entsprechender legislativer Maßnahmen - wohl nicht der Beschwerdeführer? Gibt es die politische Veranwortung überhaupt noch oder ist das nur mehr eine leere Worthülse ohne Inhalt und Konsequenzen?
Warum wird dem UNO Ausschuss für Menschenrechte die Prüfung abgeschlossener innerstaatlicher Verfahren übertragen, wenn man bei festgestellten Verletzungen nicht bereit ist, das Ergebnis der Überprüfung und die Forderung des Ausschusses nach zur Verfügungstellung eines wirksamen Rechtsmittels und einer angemessen Entschädigungszahlung an den Beschwerdeführer auch innerstaatlich um- und durchzusetzen?
Es ergeht an alle Regierungsmitglieder der Österreichischen Bundesregierung und an alle Abgeordneten zum National- und Bundesrat der eindringliche Appell, diesen Mißstand durch entsprechende Initiativen und legislative Maßnahmen ohne jeden weiteren Verzug zu beseitigen. Immerhin hatte man dazu schon 28 Jahre Zeit und das hätte eigentlich ausreichen müssen.
Es geht hier vor allem um "politisches Wollen" aller im Nationalrat vertretenen Parteien. Erinnert sei an den Fall Bundesrat Kampl, der sehr eindrucksvoll zeigt wie schnell legislative Maßnahmen umgesetzt werden können, wenn man nur will und es sich in den Kopf setzt.
Saalbach, am 23.02.2006
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Sent: Thursday, February 23, 2006 12:01 PM
Subject: Anfragebeantwortung Bundeskanzler Schüssel vom 21.02.2006