SFH-13848  Endlose Umweltprüfung könnte bald Geschichte sein, 28.12.2016 | 18:34 |  von Hedi Schneid und Christine Kary  (Die Presse)
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Eine Neuregelung soll Umweltprüfungen beschleunigen. Etliche heikle Punkte des Gesetzesentwurfs wurden aber wieder gestrichen.
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http://diepresse.com/home/wirtschaft/recht/5140237/Endlose-Umweltpruefung-koennte-bald-Geschichte-sein?_vl_backlink=/home/index.do

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Wien. Der Flughafen Wien und seine dritte Piste: ein heißes Thema, das seit Jahren Befürworter und Gegner in Rage versetzt. Die einen erwarten sich vom weiteren Ausbau Impulse für die heimische Wirtschaft und den Tourismus. Die anderen fürchten eine Belastung der Umwelt und Schäden für Mensch und Tier. Vor allem aber befasst das Thema die Juristen und ist ein Paradebeispiel für unendlich lange Verfahren.
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Im März 2007 hat das Flughafen-Management den Antrag für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die Piste gestellt. Wohlgemerkt, nachdem schon fünf Jahre lang ein Mediationsverfahren gelaufen war. 20 Gutachterteams wurden bestellt, 39 Fachgutachten erarbeitet. Im Juli 2012 kam der positive Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung. Von einem Baubeginn ist dennoch erst frühestens 2020 die Rede – denn der UVP-Bescheid ist immer noch nicht rechtskräftig.

Die 28 Einsprüche werden nach wie vor vom Bundesverwaltungsgericht behandelt. Ein Ende des Verfahrens steht in den Sternen. Beobachter, die schon 2015 an eine Entscheidung des BVG glaubten, waren jedenfalls viel zu optimistisch. Sie steht noch immer aus. Dann dürfte, wegen neuerlicher Einsprüche, das Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof landen.

 

Reformentwurf deutlich abgespeckt

Die dritte Piste mag ein Extrembeispiel sein, ein Einzelfall ist sie nicht. Auch sonst strapazieren Umweltprüfungen oft Geduld und Nerven aller Beteiligten. Die UVP, ein vor allem hierzulande unendliches Verfahren? Mit einer Reform des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes soll sich das nun ändern. Ein entsprechender Entwurf liegt nach dem Ministerratsbeschluss Mitte Dezember im Parlament zur Behandlung. Sein erklärtes Ziel ist es, Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Wie weit das gehen soll, löste aber ebenfalls heftige Kontroversen aus.

Besonders umstritten war, dass Standort- oder Anrainergemeinden wie auch Umweltanwälte in ihren Rechten beschnitten und Umweltorganisationen verpflichtet werden sollten, ihre Finanzierung offenzulegen. In der Fassung, die im Dezember den Ministerrat passiert hat, steht von all dem nichts mehr. Im Vergleich zum ursprünglichen Reformvorhaben ist die jetzige Version deutlich abgespeckt, übrig bleiben im Wesentlichen rechtliche Klarstellungen, eine Reduktion und Beschleunigung bei Stellungnahmerechten sowie Verfahrensvereinfachungen. Hält die Reform damit noch, was sie versprochen hat? Darüber sind die Ansichten geteilt. Stephan Schwarzer, Leiter der umweltpolitischen Abteilung der WKÖ, sieht den vorliegenden Text mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Positiv sei etwa die Abstufung der Prüftiefe bei der Umweltverträglichkeitserklärung in relevante, wenig relevante und nicht relevante Prüffelder, meint er. Projektwerber und Behörde sollen die Prüftiefe künftig schon im Vorfeld miteinander abstimmen – das könne der häufigen Praxis, dass mehr Felder als nötig in der maximalen Prüftiefe eingefordert werden, einen Riegel vorschieben. Weniger glücklich zeigt sich Schwarzer mit der Streichung der Transparenzpflichten für Umwelt-NGOs. Diese sowie Bürgerinitiativen und manchmal auch Umweltanwälte würden Verfahren oft „bis zur letzten Möglichkeit ausreizen", was volkswirtschaftlich nötige Investitionen um viele Jahre verzögere und mitunter auch Umweltinteressen schade, kritisiert er.

Wolfram Schachinger, Anwalt und Spezialist für Umweltrecht, sieht die Überarbeitungen dagegen überwiegend positiv. Übrig geblieben seien lediglich zwei Kritikpunkte: Bei der sogenannten Kumulation – also der Frage, wann Projekte, die für sich allein unter dem Schwellenwert für eine Prüfpflicht liegen, zusammenzurechnen sind – sei der Versuch einer Klarstellung missglückt, auch die Neuregelung zu den Starkstromfreileitungen sei verfehlt. Bei beiden Punkten meint der Jurist, dass man Projektwerbern das Leben durchaus mehr erleichtern könnte, ohne Umweltinteressen zu schaden (siehe Artikel rechts). In Umweltverfahren agiert er freilich in verschiedenen Rollen, er vertritt etwa auch Gemeinden. Die ursprünglichen Pläne, deren Rechte einzuschränken, kritisierte er im Vorfeld heftig – und zeigt sich erleichtert darüber, dass dieses Thema vom Tisch sein dürfte.

 

„Schritt in die richtige Richtung"

Aber zurück zum Flughafen Wien: Dieser zählt zu jenen Unternehmen, die von der Novelle profitieren. „Das ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung und dient nicht zuletzt dem Umweltschutz. Extrem ausgedehnte Verfahrensdauern, meist ein sinnloser Bürokratie-Hürdenlauf, haben auch wichtige Investitionen in emissionssenkende Maßnahmen unsinnig verzögert", sagt Flughafenvorstand Günther Ofner zur „Presse". Überlange Verfahrensdauern würden nämlich nicht nur die Kosten erhöhen, sondern auch Maßnahmen zur Reduktion der Umweltbelastung verhindern.

Ofner verweist etwa auf die Neugestaltung der Gates, die auf eine Energieersparnis abzielt. „Da hilft uns die Neuregelung."

Auf die umstrittene dritte Piste hat die jetzige Novelle keinen Einfluss mehr, da das UVP-Verfahren ja schon im Gange ist. Sie könnte jedoch bei anderen geplanten Vorhaben schlagend werden. Dabei geht es in erster Linie um drei Projekte, die mit insgesamt 500 Mio. Euro veranschlagt sind: die Komplettsanierung des ältesten Bauteils, des Terminals 2, die Modernisierung von Pier Ost und die Erweiterung des Terminals 3.

Ofner glaubt, dass eine UVP, wenn überhaupt, nur bei Letzterem infrage kommt. Entscheiden wird das aber nicht der Flughafen, sondern die UVP-Behörde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens. Einreichen werde man dafür frühestens 2017, die Modernisierung des Piers Ost erst 2018.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2016)

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