SFH-13830  U-Haft: Staat muss Geschäftsmann entschädigen, 18.12.2016 | 18:24 |  Von Philipp Aichinger  (Die Presse)
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Da ein der Schlepperei verdächtigter Mann zu Unrecht eingesperrt wurde, muss ihm die Republik 800.000 Euro für den Geschäftsausfall und eine monatliche Rente leisten. Das Unternehmen ist zum Erliegen gekommen.
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Wien. Er hatte seit Jahrzehnten die chinesisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen unterstützt, doch nach seiner Verhaftung war sein eigenes Geschäft ruiniert. Die Republik muss jetzt für die Fehler von Polizei und Justiz einstehen und den Geschäftsmann teuer aus der Tasche der Steuerzahler entschädigen, wie ein aktuelles Urteil zeigt.
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Der aus China stammende Akademiker war im Jahr 2004 wegen des Verdachts der Schlepperei in U-Haft genommen worden. Mit ihm waren auch seine im Betrieb tätige Exfrau, die Tochter des Paares und zwei Mitarbeiter inhaftiert worden. Zwischen 1000 und 2000 Menschen soll der Mann von Asien nach Österreich gebracht, daran Millionen verdient haben, so lauteten die ersten Vorwürfe. Aus Polizeikreisen hieß es, dass es sich bei den Kunden um angebliche Musikstudenten handle, die aber nicht einmal den Vornamen Mozarts nennen konnten. Und dass viele von ihnen in Chinalokalen und Massagesalons gelandet seien. Der Mann dementierte dies und erklärte, dass seine Kunden sehr wohl zum Studieren gekommen seien. Sein Unternehmen habe die zahlenden Kunden rund um die Uhr betreut, sie angemeldet, ihnen Versicherungen und Unterkunft besorgt.

Tatsächlich entpuppte sich der Vorwurf der Schlepperei als falsch. Als es nach 14 Monaten U-Haft zum Prozess kam, sorgte der Richter am ersten Verhandlungstag dafür, dass die Angeklagten enthaftet wurden. Der Mann erhielt Haftentschädigung. Doch neben dem Verlust an Lebenszeit blieb der Umstand, dass auch das Geschäft des Mannes durch die Haft zum Erliegen gekommen war.

Sein Unternehmen habe nicht weiterarbeiten können, nachdem die wichtigsten Mitarbeiter verhaftet, Unterlagen und Computer beschlagnahmt und die Konten gesperrt worden waren, erklärte der Mann. 2,7 Millionen Euro klagte er ein, zumal ihm sein Entgelt als Geschäftsführer und weiteres Geld entgangen sei, das er ohne U-Haft durch die Beteiligung an den Gesellschaften verdient hätte.

Der Bund – vertreten durch die Finanzprokuratur – wandte ein, dass der Mann auch ohne Inhaftierung wegen seines Gesundheitszustands nicht in der Lage gewesen wäre, seine Geschäfte weiterzuführen und die von ihm behaupteten Beträge zu verdienen. Und falls der Mann doch Ansprüche gegenüber der Republik haben sollte, müsse man einwenden, dass dieser umgekehrt dem Bund noch Geld schulde. Nämlich Abgaben von von 244.000 Euro, die auf Rückstandsausweisen aus dem Jahr 2003 aufscheinen.

 

Mit Abgabenschulden gegenrechnen?

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen gab dem Mann recht. Und erklärte, dass die Forderung mit rund 850.000 Euro zu Recht bestehe. Die Entschädigung für den Mann sei in Nettobeiträgen zu bemessen, da diese Ersatzansprüche keiner Abgabepflicht mehr unterliegen. Die alten Abgabenschulden des Mannes seien hingegen noch vom Betrag abzuziehen. Zusätzlich müsse die Republik dem Mann bis zum Herbst 2022 eine Rente von monatlich 2500Euro zahlen, für den Verdienstentgang als Geschäftsführer.

Das Oberlandesgericht Wien sprach dem Mann noch eine zweite Rente zu, die das fehlende Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (Gesellschaftsanteile) kompensieren soll. Sie solle lebenslang 4100 Euro im Jahr betragen. Zudem sei die Forderung der Republik, die Ansprüche des Mannes mit den alten Abgabenschulden gegenzurechnen, verfehlt. Der Mann solle den Ersatzbetrag (ihn bemaß das OLG mit 809.000 Euro) ganz erhalten.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) mäßigte die Ansprüche wieder. So sei es sehr wohl legitim, die Forderung gegen den Staat mit den einst entstandenen Abgabenschulden gegenzurechnen. Während man etwa Schmerzengeldansprüche nicht mit Abgabenschulden gegenrechne dürfe, sei dies bei Ersatzleistungen für einen Verdienstentgang in Ordnung. Auch die zusätzliche Rente für entgangene Gesellschaftserträge strich der OGH wieder.

Mit dem Urteil (1 Ob 146/16a) wurden dem Mann aber die Rente für den Entfall des Geschäftsführerentgelts (2500Euro monatlich bis Herbst 2022) sowie 809.000 Euro für den bisherigen Verdienstentgang zugesprochen. Die Republik darf vor der Auszahlung aber davon die noch ausständigen 244.000 Euro an Abgabenschulden abziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2016)


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