SFH-11395  OGH ersetzt Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,  INHR

Ab sofort kann sich jemand, der sich durch ein Oberlandesgericht in Grundrechtsfragen zu Unrecht verurteilt fühlt, direkt an den Obersten Gerichtshof (OGH) wenden und muss nicht mehr den Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) antreten. In Österreich wird schon länger darüber gegrübelt, wie man den häufigen Verurteilungen des EGMR entgegenwirken kann. Im Vorjahr gab es sieben Verurteilungen, die alle Urteile von Oberlandesgerichten (OLG) in Sachen Meinungsfreiheit betroffen haben.

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Der österreichische Gesetzgeber sieht zwar weiterhin den ordentlichen Instanzenzug – also bis zum OLG – vor, in Grundrechtsfragen kann aber jetzt der OGH bei einem berechtigten Antrag die Erneuerung eines Strafverfahrens anordnen. Wesentliche Neuerung ist, dass zuvor keine Entscheidung aus Straßburg mehr notwendig ist.

Zahl neuer Verfahren ungewiss

Wie viele Verfahren dadurch neu aufgerollt werden müssen, kann man nicht prognostizieren. Es werde aber hauptsächlich um das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gehen, sagte OGH-Sprecher Kurt Kirchbacher zur "Wiener Zeitung". Er ist überzeugt, dass alle, die in Straßburg Recht bekommen haben, auch vom OGH bestätigt worden wären. Wenn der OGH einen Spruch aufhebt, hält sich das OLG im zweiten Rechtsgang an die Auslegung des OGH.

Wie ist es zu dieser Neuerung gekommen? Der EGMR, dessen Urteile umgesetzt werden müssen, verlangt eine innerstaatliche Kontrollinstanz zum Grundrechtsschutz. Basis dafür ist Artikel 13 der Menschenrechtskonvention. Der OGH ist ab sofort diese Kontrollinstanz.

Warum dieser erst jetzt diese Funktion übernehmen kann, erklärt Kirchbacher damit, dass es zuvor einen Anlassfall brauchte. Und diesen brachte ein Beschwerdeführer, der wegen des im Jahr 2002 vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Paragrafen 209 verurteilt worden war. All jene, die sich wegen dieser Verurteilung an den EGMR gewandt hatten, bekamen Recht, die Tat wurde aus dem Strafregister gelöscht. Alle anderen werden nach wie vor im Strafregister einer Straftat bezichtigt, die es laut Strafgesetzbuch so gar nicht mehr gibt. (Paragraf 209 stellte gleichgeschlechtliche Sexualität von Männern über 19 Jahren mit Burschen zwischen 14 und 18 Jahren unter Strafe. Dieses Delikt ist jetzt im Paragraf 207 b geschlechtsneutral formuliert.)

Der OGH hat nun empfohlen, dass bei späteren Verfahren gegen jene Personen, die wegen Paragraf 209 verurteilt worden waren und deren Strafe nicht aufgehoben wurde, diese Verurteilung nicht zu beachten ist.


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