SFH-141189  Äthiopien Aufgerissene Gräben und verkaufter Boden, Wiener Zeitung Von Konstanze Walther aus Äthiopien, 5/6-5.2018

Die Abholzung in Äthiopien geht trotz Warnungen weiter voran. Die NGO "Menschen für Menschen" versucht, der Erosion Einhalt zu gebieten.

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltchronik/963016_Aufgerissene-Graeben-und-verkaufter-Boden.html




Die Landschaft auf der äthiopischen Hochebene im Gebiet Jeldu ist von Erosionsgräben zerfurcht. - © Walther


ddis Abeba/Gojo. Geda Taye erkennt die Landschaft seiner Kindheit nicht wieder. "Dieses Gebiet war mit Wäldern übersät", erzählt der nunmehr 70-jährige Äthiopier. Wenn er darüber spricht, ist er so aufgebracht, dass er sogar auf seinen stützenden Gehstock vergisst. Ein Gemeindemitglied ist sofort zur Stelle und fängt den Stock auf. Eine Geste der Ehrerbietung für Taye, schließlich gehört dieser zu den Dorfältesten.

Taye braucht zum Gestikulieren beide Hände. "Das alles war einmal grün, es war voller Zypressen", breitet er seine Arme aus und zeichnet mit den Fingern das riesige Tal bis hin zur Bergkuppe nach. "Es war einfach, seine Tiere zu füttern, man musste sie nur weiden lassen und schon wurden sie fett", erinnert sich Taye. Vieh war billig. Kälber waren eine Selbstverständlichkeit. Große Portionen von Fleisch ebenso. Heute muss man das Gras mit der Lupe suchen.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren laut dem Institut für Ressourcen der äthiopischen Adigrat Universität über 40 Prozent des Landes bewaldet. Im Jahr 2000 waren es nur noch 2,36 Prozent.

Geda Taye steht vor dem Eukalyptus-Wäldchen.

Geda Taye steht vor dem Eukalyptus-Wäldchen.© Walther

Überall in Tayes Tal sieht man nackte rote Erde, die von bedrohlichen Gräben zerschnitten wird. Tiefe Risse, von denen Geologen wissen: Stoppt man sie nicht, dann werden sie immer länger und immer breiter. Passt man nicht auf, stürzt man schnell hinein. Der Graben könnte heute schon woanders beginnen, als er noch gestern war. Und er verschlingt schließlich den Eukalyptus-Garten, einen der letzten Ertragbringer der Gegend. Wir sind hier in Gojo im Gebiet Jeldu, in der äthiopischen Hochebene, westlich von Addis.

Denn Eukalyptus kann man schnell zu Geld machen. Eukalyptus wächst schnell nach. Eukalyptus hat aber zwei Nachteile, und zwar gewaltige: Er entzieht dem Boden Wasser. Und er verdrängt andere Pflanzen. Nicht einmal Gras wächst unter den silbergrauen Bäumchen. Das ist Gift für das Tal von Geda Taye.

Eukalyptus ist das, was man noch verkaufen kann, wenn das Vieh nichts mehr zum Fressen findet. Aber Eukalyptus treibt auch die Bodenerosion voran. Und dann nähern sich die Gräben in ihrer unerbittlichen Ausdehnung auch den Hütten und reißen auch diese mit nach unten.

Das ist hier im äthiopischen Hochland kein Einzelfall - auf 3000 bis 4000 Höhenmeter, unter einer sengenden Sonne gibt es ohne Vegetation keinen Schutz. Phase drei, nennen das Experten. Das ist die letzte Phase der Erosion - der Boden scheint unwiederbringlich ruiniert. Alles Fruchtbare ist zerstört. Und damit die Lebensgrundlage der Bauern, die keine Alternative zu einem Leben ohne Boden haben.

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