SFH-13663 Hat der Verfassungsgerichtshof noch eine andere Wahl? 15.06.2016 | 18:39 | Florian Asamer (Die Presse) . Was keiner für möglich gehalten hat, ist nun nicht mehr ausgeschlossen: Eine neuerliche Hofburg-Stichwahl stellt unsere Demokratie auf die Probe.
http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/5021808/Hat-der-Verfassungsgerichtshof-noch-eine-andere-Wahl?direct=5021814&_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/5021814/index.do&selChannel=&from=articlemore. Noch immer liegt der Post-Österreich – Ungarn-Kater bleiern über dem Land. Mit dem großen Interesse an der EM in Frankreich dürfte es auch zusammenhängen, dass eine doch ziemlich reale innenpolitische Möglichkeit bis dato verdrängt wurde. Dass nämlich die Stichwahl um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten wohl (zumindest in Teilen) vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird und wiederholt werden muss. So ein Satz ist schnell hingeschrieben, was er aber wirklich bedeutet, lässt sich in seiner ganzen Tragweite gar nicht so ohne Weiteres abschätzen. Mehr zum Thema: . Juristisch dürften – das haben „Presse"-Recherchen ergeben – die Argumente der FPÖ-Wahlanfechtung so schwer wiegen, dass die ursprünglich allgemein erwartete Vorgangsweise, Prüfung des umfangreichen Schriftsatzes – ein paar kritische Worte und ernste Blicke der Höchstrichter –, schließlich aber Bestätigung der Wahl Alexander Van der Bellens und dessen Angelobung am 8. Juli, nun nicht mehr infrage kommen dürfte. Obwohl niemand, auch hinter vorgehaltener Hand nicht, davon ausgeht, dass tatsächlich Wählerstimmen manipuliert wurden, hat man die strengen Bestimmungen der Wahlordnung bei der Auszählung der Briefwahlstimmen offenbar zu oft nicht eingehalten. Das ist nicht akzeptabel. Die Wahl ist das Fundament, das unsere Demokratie und alle von ihr bestimmten Organe trägt. Ist dieses Fundament auch nur in Ansätzen brüchig, gerät die fein austarierte Statik der Republik aus den Fugen. Und gerade bei der Briefwahl, die auf Kosten hundertprozentiger Abstimmungssicherheit eingeführt wurde, um Menschen, die sich am Wahltag nicht in Österreich befinden, trotzdem eine Chance zum Mitwählen zu geben, sind die prozessualen Sicherungen besonders wichtig. Weil aber niemand die freie, geheime, nicht manipulierte Stimmabgabe garantieren kann, wenn ein Zettel irgendwo unkontrolliert ausgefüllt und eingeschickt wird, wurden zumindest die formalen Kriterien für die Auszählung erst kürzlich noch einmal verschärft. Diese sehen ein Mehraugenprinzip bei der Registrierung, dem Öffnen und Auszählen vor der Wahlkommission ab neun Uhr am Montag nach der Wahl vor. Unter Zeitdruck wurden Briefwahlstimmen offenbar zu früh auch von anderen Personen sortiert und geöffnet. Damit kann eine Manipulation aber nicht mehr ausgeschlossen werden. Der Verfassungsgerichtshof befindet sich nun in einer Zwickmühle. Juristisch dürfte der Fall ziemlich klar sei, sollten die Vorwürfe ab Montag halten. Aber wie die politischen Auswirkungen, die enorm sein könnten, bewerten? Denn neben der strengen Einhaltung der Buchstaben des Gesetzes spielt in der juristischen Güterabwägung auch das Vertrauen in die Rechtsordnung eine große Rolle. Biegt man die Sache nun so hin, dass das Wahlergebnis hält, wird die Bevölkerung unter kräftiger Mithilfe der Freiheitlichen den Eindruck gewinnen, hier wurden Unregelmäßigkeiten vertuscht, mit Van der Bellen statt Norbert Hofer dem eigentlichen Wahlverlierer die Tapetentür geöffnet.
Hebt man aber große Teile der Stichwahl auf, nimmt man in Kauf, dass wegen 60.000 im engsten Sinn problematischer, aber wohl nicht manipulierter Stimmen (in seiner Wahlanfechtung für die FPÖ führt der ehemalige Justizminister Dieter Böhmdorfer mehr als 500.000 vermeintlich fragwürdige Stimmen an) die übrigen Millionen zweifelsfrei korrekt abgegebener Stimmen mit ihre Gültigkeit verlieren? Und was könnte ein neuerlicher Wahlkampf, der dann wohl die Aufhebung der Stichwahl zum Inhalt hätte, für ein Ergebnis bringen? Würden nicht wieder Zweifel bleiben? Obwohl das Recht zur Anfechtung der Wahl völlig unbestritten ist und die Schwere der Vorwürfe ein Wegschauen unmöglich macht, muss klar sein, dass hier die Büchse der Pandora geöffnet wird. Je mehr die politischen Mitspieler versuchen, demokratische Regeln und jene, die sie vollziehen und auslegen, infrage zu stellen, desto stärker gerät die Legitimation aller Beteiligten ins Wanken. Wer hier Recht haben will, muss sich dieser Verantwortung bewusst sein. E-Mails an: » florian.asamer@diepresse.com ("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2016) . Interessante Postings
Ein Gericht hat nach dem Gesetz zu urteilen und nicht . |
|