SFH-0843

Parlamentskorrespondenz/02/02.07.2008/Nr. 633

Von den Menschenrechten in China zu Minaretten in Kärnten

Menschenrechtsausschuss beschließt und vertagt Anträge


Wien (PK) – Die Lage der Menschenrechte in China – wozu der Ausschuss nur eine teilweise formelle Einigung erreichte - und die Sicherung der Religionsfreiheit – wobei es zu einer heftigen Auseinandersetzung zum Thema Minarette in Kärnten kam – standen heute im Mittelpunkt einer Sitzung des » Menschenrechtsausschusses unter Vorsitz von Obfrau Brigid Weinzinger (G). Von Seiten der Bundesregierung nahm an der Sitzung Staatssekretär Hans Winkler teil.


Vier Anträge wurden vom Ausschuss unter einem debattiert: Die Grünen fordern in einem » Entschließungsantrag die Regierung zum Einsatz gegen Zwangsarbeitslager in China auf. So soll die Regierung bei offiziellen Anlässen die Thematik dieser so genannten Laogai-Lager ansprechen, die chinesische Regierung zu einem uneingeschränkten Besuchsrecht einschlägiger Institutionen der UN und des Roten Kreuzes auffordern, Auskunft über in diesen Lagern erzeugten Produkte verlangen und schließlich die chinesische Regierung zur Schließung dieser Lager auffordern. In einem weiteren » Entschließungsantrag fordern die Grünen die Regierung auf, innerhalb der Menschenrechts- und Außenpolitik der EU für eine Verurteilung des brutalen Vorgehens der chinesischen Sicherheitskräfte  gegen DemonstrantInnen, die sofortige Freilassung friedlicher DemonstrantInnen und ein rasches und faires Verfahren bei jenen, bei denen der Verdacht auf eine Verwicklung in Straftaten besteht sowie eine unabhängige Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte einzutreten.


Das BZÖ fordert in einem » Entschließungsantrag die Regierung auf, "sich auf diplomatischem Wege dafür einzusetzen, die Informationslage über die chinesischen Umerziehungslager zu verbessern und von der Volksrepublik China die Einhaltung menschenwürdiger Haftbedingungen einzufordern". Die Antragsteller verweisen auf Berichte, wonach in Umerziehungslagern (Laogai) Häftlinge als Arbeitssklaven missbraucht würden, Hunger, schwerste Strafen, Misshandlungen und Folter erleiden müssten und dass in diesen Lagern jährlich etwa 280.000 Menschen ums Leben kommen.


In einem weiteren Antrag nehmen die Grünen die Olympischen Spiele in Bejing zum Anlass, die Regierung in einem » Entschließungsantrag sich für die Freilassung chinesischer MenschenrechtsaktivistInnen und Dissidenten einzusetzen. In dem Antrag werden zehn Aktivisten namentlich angeführt. Ausgehend von diesem Antrag, legte Abgeordneter Norbert Kapeller (V) einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller fünf Fraktionen vor. Dieser Antrag fand bei der Abstimmung die Zustimmung aller Mitglieder des Ausschusses.


Die Bemühungen der Oppositionsfraktionen, auch zum Thema der Laogai-Lager einen gemeinsamen Antrag zustande zu bringen, waren hingegen nicht von Erfolg gekrönt. Trotz inhaltlicher Zustimmung wurden die Anträge auf Antrag der Abgeordneten Melitta Trunk (S) mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen vertagt.


Koalition lässt Opposition in Menschenrechtsfrage abblitzen


Abgeordneter Albert Steinhauser (G) stellte eingangs die Situation in den rund 1.000 chinesischen Laogai-Lagern dar: Die dort festgehaltenen Menschen – vor allem Dissidenten und Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten – seien täglich zu 16stündiger Zwangsarbeit ohne Lohn und ohne medizinische Versorgung verhalten. Der deutsche Bundestag und der US-Kongress hätten sich zu diesen Lagern in Resolutionen geäußert, dies müsse auch das österreichische Parlament zuwege bringen, sagte Steinhauser und plädierte dafür, den Antrag nicht zu vertagen und einen Antrag aller Fraktionen an das Plenum weiter zu leiten.


Mit den Menschenrechten liege es im Fall Chinas im Argen, befand auch V-Abgeordneter Kapeller, verwies auf einen entsprechenden, bereits im April von Nationalrat verabschiedeten Entschließungsantrag und brachte den später einstimmig angenommenen Entschließungsantrag aller fünf Fraktionen ein.


Abgeordneter Gernot Darmann (B) erläuterte den Antrag seiner Fraktion und sprach sich für Bemühungen aus, die Informationslage bezüglich Menschenrechte und China zu verbessern.


Abgeordnete Ulrika Lunacek vermisste bei dem im April verabschiedeten Antrag einen Hinweis auf die in der chinesischen Verfassung garantierte, aber nicht wirksame Autonomie Tibets und wollte von Staatssekretär Winkler Informationen über einen Fortschritt beim Menschenrechtsdialog EU-China. Ihre Fraktionskollegin Brigid Weinzinger bezog sich auf Zwischenfälle bei einer Demonstration vor der chinesischen Botschaft – bei der ein Tibeter von Angehörigen der Botschaft misshandelt worden sein soll - und übte Kritik an einer berichteten "Entschuldigung" von Außenministerin Plassnik bei der VR China. Außerdem wollte sie Informationen bezüglich österreichischer Aktivitäten für tausende Tibeter, deren Verbleib nach den jüngsten Auseinandersetzungen in Tibet ungeklärt sei, und fragte nach Absichten bezüglich Teilnahme von Regierungsmitgliedern an der Eröffnung der Olympischen Spiele in Bejing.


Auch SP-Abgeordnete Petra Bayr fragte nach dem Stand des Menschenrechts-Dialogs und wies darauf hin, dass in den chinesischen Straflagern immer mehr Drogenkranke festgehalten würden; es gebe auch Hinweise auf "Hinrichtungsquoten" für Drogendealer. Außerdem erkundigte sie sich nach Projekten der Entwicklungszusammenarbeit in Tibet.


Staatsekretär Hans Winkler machte deutlich, dass der "Angriff" auf die chinesische Botschaft möglicherweise gegen österreichische Gesetze verstoßen habe und der Verdacht auf Sachbeschädigung bestehe. Österreich habe in diesem Zusammenhang seine Schutzpflicht nicht ausreichend erfüllt, was Außenministerin Plassnik bedauert habe; es habe sich aber nicht um eine "Entschuldigung" gehandelt. Bezüglich möglicher Misshandlung eines Demonstranten aus Tibet durch Angehörige der Botschaft gebe es trotz Urgenz noch keine Antwort seitens der Botschaft; Staatssekretär Winkler räumte in diesem Zusammenhang eine "gewisse Machtlosigkeit" ein.


Zum Menschenrechtsdialog EU-China sagte der Staatssekretär, dass es dazu in der EU einen "großen Konsens" gebe und das Thema Menschenrechte gegenüber China immer wieder angesprochen werde. Der Dialog sei allerdings mühsam, der Fortschritt "eher in Zentimetern denn in Metern" zu messen. Die Frage, die es zu beantworten gelte, sei aber die nach der Alternative zu diesem Dialog. "Ich sehe keine", betonte Winkler.


China gebe selbst 220.000 Häftlinge in den Laogai-Lagern zu, wovon über die Hälfte Drogensüchtige sein sollen. Man trete – da man die Abschaffung der Lager nicht erreichen könne – dafür ein, dass Entscheidungen auf gerichtlicher und nicht bloß polizeilicher Ebene getroffen werden sollten. Im Zusammenhang mit Tibet erinnerte der Staatssekretär an die fortgesetzten österreichischen Bemühungen für die Umsetzung der Autonomie. Projekte der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit seien ihm in Tibet nicht bekannt. Bezüglich verschwundener Personen habe man in "stiller Diplomatie" in Einzelfällen positive Erledigungen erreichen können. Bezüglich der Teilnahme von Regierungsmitgliedern bei der Eröffnung der Olympischen Spiele sei die französische Prädientschaft tätig, hier wolle man das Ergebnis des entsprechenden Dialogs abwarten.


In einer zweiten Runde der Debatte fragte Abgeordneter Werner Neubauer (F), wer in der Tibet-Frage die Ansprechpartner der österreichischen Regierung seien. Er plädierte dafür, bei sportlichen Großveranstaltungen den Zuschlag früher und sorgfältig zu prüfen. Schließlich sprach er den Handel mit Organen von Exekutierten an. Neubauer kündigte für seine Fraktion an, allen Anträgen zuzustimmen, weil sie weiter gingen als der im April von Nationalrat verabschiedete.


Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) forderte den Staatssekretär in der Causa Demonstration vor der chinesischen Botschaft zu weiteren Urgenzen auf. Im Zusammenhang mit dem Menschenrechtsdialaog regte Lunacek an, dass auch Wirtschaftstreibende in ihren Gesprächen auf die Frage der Menschenrechte eingehen sollten; dies liege auch im Interesse langfristig guter Beziehungen.


Abgeordneter Albert Steinhauser (G) plädierte noch einmal für einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen, und auch S-Abgeordnete Marianne Hagenhofer sah darin ein "Signal". Eine Ablehnung des Antrags 679/A(E) wäre "eine Blamage", befand Abgeordnete Brigid Weinzinger (G). Für einen gemeinsamen Antrag sprachen sich auch die Abgeordneten Darmann (B) und Neubauer (F) aus.


Staatssekretär Winkler fasste, als Antwort auf eine Frage des Abgeordneten Neubauer (F), die Problemsituation im Zusammenhang mit Tibet zusammen: Die mangelnde Umsetzung der Autonomie, die soziale und wirtschaftliche Benachteiligung Tibets und die Umsiedlungspolitik Bejings. Die Vergabe sportlicher Großereignisse ausschließlich an "ausgewiesene Demokratien" sei nicht unproblematisch; zudem könne im Zusammenhang mit Großereignissen auch öffentlicher Druck aufgebaut werden. Es sei auch im Rahmen von Wirtschaftsgesprächen  nicht unüblich, die Menschenrechtsthematik anzusprechen; aber auch andere – Parlamente, Zivilgesellschaft – seien bei diesem Thema gefordert, betonte der Staatssekretär.


5-Parteien-Antrag für Religionsfreiheit


In vielen Ländern der Welt sei es um die Religionsfreiheit schlecht bestellt, stellen die Abgeordneten Großruck (V) und Füller (S) in einem gemeinsamen » Entschließungsantrag fest und verweisen auf Verfolgung, der Christen im Irak ausgesetzt sind. Sie fordern daher den Bundeskanzler und die Außenministerin im Verein mit den übrigen Mitgliedern der Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die in der EU-Charta verankerten Grundrechte zu Leitlinien der internationalen Beziehungen gemacht werden, das Thema Religionsfreiheit verstärkt in die Diskussion einzubringen und sich für die Opfer von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit einzusetzen.


Zu diesem Antrag legten die Abgeordneten Kapeller (V) und hagenhofer (S) einen Abänderungsantrag vor. Abgeordneter Kapeller wies darauf hin, dass in mehr als 30 Ländern Religionsfreiheit nicht gewährleistet sei und nicht zuletzt Christen Verfolgungen ausgesetzt seien – eine Tatsache, die auf europäischer Ebene diskutiert werden müsse.


Abgeordneter Albert Steinhauser (G) kündigte die Zustimmung einer Fraktion zu dem Antrag an, forderte aber im Zusammenhang mit der Diskussion über den Bau von Minaretten in Österreich eine kritische Debatte ein. Es dürfe keine Einschränkungen der Religionsfreiheit geben, betonte der Abgeordnete.


Auch Abgeordneter Bernhard Vock (F) plädierte für die Unterstützung der Religionsfreiheit; dies dürfe aber nicht bedeuten, "dass eine Minderheit der Mehrheit ihre Symbole aufdrängt", sagte Vock.


Abgeordneter Gernot Darmann (B) stellte einen Zusammenhang mit der traditionellen, gewachsenen Kultur her und meinte, die Bevölkerung müsse vor einem "Clash der Traditionen" geschützt werden. Es sei nichts gegen religiöse Symbole zu sagen, einiges aber gegen Machtsymbole, wie dies in Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan zum Thema Moscheen und Minarette deutlich geworden sei.


Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) kam auf Medienberichte über eine Sitzung des UN-Menschenrechtsrats zu sprechen, wonach der Schutz religiöser Gefühle vom rumänischen Vorsitzenden Vorrang vor Meinungsfreiheit eingeräumt worden sei.


Abgeordneter Zach (S) vermisste in der Argumentation des BZÖ Logik und plädierte dafür, die Auseinandersetzung über Gebäude von jener über Äußerungen zu trennen.


Abgeordnete Gertraud Knoll (S) stellte klar, dass Religionsfreiheit die öffentliche Ausübung der Religion umfasse, und zwar unabhängig von Mehrheitsverhältnissen. Entscheidend sei in Österreich, ob eine Religion staatlich anerkannt sei. Dies könne keine bevorzugte Behandlung für Christen bedeuten.


Abgeordnete Melitta Trunk (S) führte aus, dass durch die Änderung der Kärntner Bauordnung festgelegt worden sei, dass generell bei auffälligen Gebäuden der Baukulturbeirat zu befassen sei; damit würden willkürliche Entscheidungen hintangehalten.


Staatssekretär Winkler betonte, die freie Religionsausübung sei ein Grundrecht, wobei es zu Spannungen zwischen diesem Grundrecht und dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung kommen könne. Jedenfalls könnte keinesfalls unter Berufung auf die freie Ausübung der Religion ein anderes Menschenrecht aufgehoben werden; die Menschenrechte seien unteilbar. Winkler plädierte für Respekt und Achtsamkeit im Umgang. Im übrigen seien im Dialog mit der Türkei die Menschenrechte ein intensiv diskutiertes Thema.


Bei der Abstimmung fand der Antrag in Form eines Fünf-Parteien-Abänderungsantrags die Zustimmung aller Mitglieder des Menschenrechtsausschusses. (Schluss)


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