SFH-1517  Wenn „Schweinereien" straflos bleiben müssen, 13.12.2009 | 18:18 |  PHILIPP AICHINGER (Die Presse)

Wolfgang Swoboda, Präsident der Vereinigung der Staatsanwälte, möchte in der Bevölkerung Verständnis für seinen Berufsstand wecken. Das Image sei im U-Ausschuss zu Unrecht ramponiert worden.

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„DiePresse": Der parlamentarische Untersuchungsausschuss ist zu Ende. Sind Sie froh darüber?Wolfgang Swoboda: Sehr froh. Der U-Ausschuss hat eine Entwicklung genommen, die aus Sicht der Staatsanwälte sehr, sehr problematisch ist. Es haben einzelne Politiker schwer am Image der Staatsanwaltschaft gekratzt, um politisches Kleingeld zu machen.

Worin hat sich das geäußert?

Swoboda: Der Staatsanwalt wurde als jemand dargestellt, der im Interesse bestimmter Personen handelt. Ich denke auch an den Internetblog des Abgeordneten Peter Pilz, in dem er vom „Regierungsanwalt" spricht. Es ist für die Staatsanwaltschaft schon immer schwierig gewesen, ihre völlig objektive Funktion darzustellen. Wir haben im Ermittlungsverfahren nur ein Interesse: so schlau wie irgendwie möglich zu werden. Ob das Ergebnis einer Verfolgung die Einstellung oder die Anklage ist, hat uns egal zu sein.

Pilz hat Ihren Stand kritisiert und gemeint, solche Staatsanwälte würde sich Italiens Premier Silvio Berlusconi wünschen. Wäre Berlusconi mit den österreichischen Staatsanwälten glücklich?

Swoboda: Die österreichischen Staatsanwälte würden auch in der italienischen Politik aufdecken, was dort anrüchig ist. Berlusconi wäre mit unseren Staatsanwälten nicht glücklich, so wie er auch mit den italienischen Staatsanwälten nicht glücklich ist.

Sie schließen also völlig aus, dass Staatsanwälte bei Verfahren mit Politikern anders handeln?

Swoboda: Ich schließe strukturelle Mängel in diese Richtung aus. Es gibt keinen vorauseilenden Gehorsam. Aber es sind alle Menschen, und natürlich können Zwangslagen entstehen, und im Einzelfall ist nie etwas auszuschließen. Wir sind ein Massenbetrieb. Wir machen Fehler, so wie auch im Krankenhaus Fehler gemacht werden. Wir arbeiten aber daran, diese Fehlerquote möglichst gering zu halten.

Was unternehmen Sie, um die Fehlerquote zu minimieren?

Ein Instrument, das extrem hilft, die Fehler zu minimieren, ist natürlich das Weisungsinstrument, auch wenn dieses extrem in Verruf geraten ist. Die Weisungskette ist ein gelebtes Vieraugenprinzip: Der Vorgesetzte steht mit dem Sachbearbeiter in einer Diskussion und hilft, alle Fragen zu beurteilen. Das Problem an dieser Weisungskette ist aber, dass an der Spitze niemand von uns ist. Und deswegen und weil das Ganze „Weisungskette" statt „Qualitätssicherungsinstrument" heißt, ist diese extrem gut funktionierende Sache in Verruf geraten.

Wer sollte denn Ihrer Meinung nach an der Spitze der Weisungskette stehen?

Swoboda: Ein Organ der Gerichtsbarkeit. An der Spitze der Weisungskette sollte jemand sein, der – etwa wie ein Präsident des Obersten Gerichtshofs – von der Bevölkerung als Teil der Justiz wahrgenommen wird. Momentan funktioniert das Weisungsrecht bis hinauf ins Justizministerium, bis hin zu den Sektionschefs, die alle richterliche Ausbildung und Erfahrung haben, gut. Aber die Repräsentation nach außen funktioniert nicht. Da nützt es auch nichts, dass die Justizministerin aufgrund ihrer Biografie die richtigen Voraussetzungen hätte. Denn momentan ist sie Politikerin und damit kein Organ der Gerichtsbarkeit. Das leistet dem Misstrauen, das manche Abgeordnete im U-Ausschuss äußern, Vorschub.

Die Justizministerin sollte also ihr Weisungsrecht abgeben?

Swoboda: Ja. Ich habe auch nie verstanden, warum alle Justizminister auf dem Weisungsrecht, das ja ein Klotz am Bein sein muss, beharren. Die Minister werden oft angegriffen, weil sie das Instrument der Weisung missbraucht haben sollen. Um den Vorwurf möglichst zu vermeiden, ist der Justizminister auch meist unabhängig oder wird vom Juniorpartner in der Koalition gestellt. Der Justizminister hat also keine politische Hausmacht. Um die Funktionstüchtigkeit des Ministeriums zu gewährleisten, insbesondere beim Kampf um den Budgettopf, wäre uns aber an einem mächtigen Politiker gelegen.

Sie wollen also einen mächtigen Justizminister ohne Weisungsrecht?

Swoboda: Ja. Dieser soll dafür sorgen, dass das Haus Justiz gut bestellt ist.

Und was kann man bei der Staatsanwaltschaft noch verbessern? Ist eine Stärkung der Wirtschaftskompetenz nötig? Sollte es ein Pflichtpraktikum für Staatsanwälte bei einem Wirtschaftsanwalt geben?

Swoboda: Spezialisierung ist wichtig. In unserer vierjährigen Ausbildung gibt es bereits ein Pflichtpraktikum in einer Anwaltskanzlei. Wenn man noch ein Praktikum bei einem Wirtschaftsanwalt verlangt, ist die Frage, ob man damit nicht den Rahmen sprengt. Förderlich wäre es aber fraglos.


Was halten Sie von der Auflösung der politischen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien? Ministerin Claudia Bandion-Ortner möchte die politischen Fälle nun auf alle Staatsanwälte verteilen.

Swoboda: Ich bin der Bundesvertreter und nicht der Leiter der Wiener Staatsanwaltschaft. Aber meine persönliche Meinung ist, dass auch für so spezielle Agenden wie das Verbotsgesetz oder generell für Verfahren im Zusammenhang mit Politikern eine Spezialisierung sehr sinnvoll ist.


Wie sehen Sie das Image der Staatsanwaltschaft in der Bevölkerung?

Swoboda: Nicht so gut, wie es sein sollte. Ich darf Ihnen das klassische Dilemma eines Staatsanwalts schildern: Wir haben sehr oft Fälle, bei denen wir meinen, hier ist wirklich eine Schweinerei passiert. Aber wir wissen, dass die Beweismittel nicht ausreichend sein werden, um eine Verurteilung zu bekommen. Wenn das Ganze dann auch noch die Öffentlichkeit interessiert, dann stehen wir vor dem Dilemma: Wir meinen, eigentlich sollten diese Vorgänge in einer öffentlichen Hauptverhandlung ans Tageslicht kommen. Wir dürfen aber auch nicht anklagen, wenn es seriöserweise für eine Verurteilung nicht reicht.

Wollen Sie derartige Fälle gegenüber der Öffentlichkeit künftig besser kommunizieren?

Swoboda: Wir sind gezwungen, den Verdächtigen zu schützen, es gibt ein Amtsgeheimnis. Aber wenn uns in der Öffentlichkeit persönliche Motive bei der Arbeit unterstellt werden, und wir können uns aufgrund des Amtsgeheimnisses nicht wehren, dann tut das verdammt weh. Wir denken alle schon lange nach, wie wir dieses Problem öffentlich bekannt machen können. Denn von zehn Anzeigen müssen fünf zurückgelegt werden. In zwei Fällen gibt es eine Diversion, in zwei weiteren Fällen wird angeklagt. Das restliche Zehntel sind Fälle, in denen wir einen flüchtigen Verdächtigen suchen.

Und wie kommen Sie jetzt aus diesem Dilemma heraus?

Swoboda: Schwer. Ich habe mir schon gedacht, vielleicht wäre eine Vorabendserie über die Nöte der Staatsanwaltschaft sinnvoll. Eine Serie, in der man sieht, dass man, wenn es nicht zur Anklage reicht, den Mund halten muss.

Sie wünschen sich also eine Daily Soap über Staatsanwälte im Fernsehen?

Swoboda: Ja, aber natürlich sind das Fantastereien. Mit unserem Image bin ich jedenfalls nicht glücklich. Und der U-Ausschuss hat da noch einmal geschadet und falsche Vorurteile bedient.

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