SFH-11244  Die Folgen der Causa Libro,  08.10.2014 | 18:30 |  von Christine Kary  (Die Presse)

Das Libro-Urteil des OGH kam auch beim Unternehmensrechtstag aufs Tapet. Die Kernfrage: Was darf man jetzt noch, und wann steht man mit einem Fuß im Kriminal?

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Wien. Falsch, aber als Gegebenheit hinzunehmen. So charakterisierte Friedrich Rüffler, Professor für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht an der Uni Wien, vergangenen Montag beim dritten Wiener Unternehmensrechtstag die umstrittene Libro-Entscheidung des OGH (12 Os 117/12s).

Zur Erinnerung: Es ging um eine zweifelhafte Sonderdividende an die 100-Prozent-Konzernmutter von Libro. Zivilrechtlich ist es verbotene Einlagenrückgewähr, wenn mehr als der Bilanzgewinn ausgeschüttet wird. Aber ist es deshalb auch schon Untreue? Der OGH bejahte das, obwohl das Geld an die Alleingesellschafterin geflossen war. Seither ist nur mehr der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer Einpersonen-GmbH auf der sicheren Seite, was diesen Tatbestand betrifft: Wenn dieser mehr als den Bilanzgewinn an sich selbst ausschüttet, kann er auch nach Ansicht des OGH keine Untreue begehen. Denn er schadet damit „nur" seiner eigenen Firma und nicht einer anderen Person, über deren Vermögen er verfügt (um Gläubigerschutz geht es beim Untreuetatbestand nicht).

Differenzierung verfehlt?

So weit, so gut. Aber warum soll das nur bei einer Einpersonen-GmbH gelten und nicht auch bei einer Einpersonen-AG wie im Fall Libro? Oder bei einer Mehrpersonengesellschaft? Rüffler hält diese Differenzierung für verfehlt – im Hinblick auf die (Un-)Zulässigkeit des Vermögenstransfers an Gesellschafter gebe es hier nämlich keinen Unterschied. Er brachte auch weitere Beispiele: Was wäre etwa, wenn eine GmbH zwar nur einen Gesellschafter, aber einen Fremdgeschäftsführer hat und dieser auf Weisung des Gesellschafters eine zu hohe Ausschüttung vornimmt? Oder wenn bei einer Mehrpersonengesellschaft alle Gesellschafter einer solchen Ausschüttung zustimmen? Kann der Geschäftsleiter in diesen Fällen wegen Untreue strafbar sein? Wie das Höchstgericht das beurteilen würde, ist offen. Rüffler meint, dass hier nach wie vor – selbst, wenn man die Libro-Entscheidung als Maßstab nimmt – die besseren Argumente für eine Straffreiheit sprechen.

Dass es nicht auf die Anzahl der Gesellschafter ankommen kann, sagt auch Susanne Kalss, Professorin für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU Wien: „Wenn alle zustimmen, müsste das dieselbe Wirkung haben." Kalss hofft diesbezüglich auf eine baldige Klarstellung durch das Höchstgericht. Generell sei zwischen Gesellschafts- und Strafrecht zu unterscheiden: „Dass etwas gesellschaftsrechtlich nicht ordnungsgemäß ist, heißt noch lange nicht, dass es zwingend auch strafbar sein muss."

Risiko muss erlaubt sein

Ulrich Torggler, Professor für Unternehmensrecht an der Uni Wien, bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: den Ermessensspielraum des Geschäftsleiters bei unternehmerischen Entscheidungen. Hier geht es, wohlgemerkt, nicht um eindeutig (zivil-)rechtswidrige Handlungen, wie verbotene Einlagenrückgewähr, sondern um das – legale und oft unvermeidliche – Eingehen von unternehmerischem Risiko. Gerade dann, wenn ein Geschäftsleiter sorgfältig vorgeht, wird ihm bei riskanten Entscheidungen bewusst sein, dass die Sache auch schiefgehen und dem Unternehmen dadurch ein Schaden entstehen kann. Überspitzt gesagt, ist man da aber schon recht nahe am „bedingten Vorsatz" des Strafrechts.

Trotzdem muss beides auseinandergehalten werden, um zu vermeiden, was aus Torgglers Sicht keinesfalls passieren darf: dass das Eingehen von unternehmerischem Risiko strafbar wird. Es gehe also darum, den im Gesellschaftsrecht gegebenen Ermessensspielraum auch bei der Beurteilung strafrechtlicher Folgefragen anzuerkennen. „Strafrechtler müssen Gesellschaftsrecht anwenden, das ist herausfordernd", sagt Torggler. Nicht zuletzt gehe es um die Bewertung des redlichen Scheiterns: Dass das nichts strafrechtlich Vorwerfbares ist, wurde ganz bewusst durch die Reform des Kridastrafrechts klargestellt. Es dürfe nun nicht dazu kommen, dass es „auf dem Umweg über die Untreue wieder strafbar wird".

Dass der Untreuetatbestand unbedingt neu geregelt werden muss, um das Abgrenzungsproblem in den Griff zu bekommen, glaubt Torggler nicht: „Wenn die Judikatur die gesellschaftsrechtlichen Vorfragen löst und die subjektive Tatseite ernst nimmt", könne man mit der jetzigen Regelung gut leben.

AUF EINEN BLICK

Beim Wiener Unternehmensrechtstagam 6. Oktober diskutierten über 200 Rechts- und Wirtschaftsexperten an der Uni Wien über „Enforcement im Rechnungslegungsrecht". Geleitet wurde die Fachtagung von den Universitätsprofessoren Susanne Kalss und Ulrich Torggler. Der Unternehmensrechtstag geht auf eine Initiative der B&C-Privatstiftung zurück und soll den Dialog von Wissenschaft und Praxis fördern.

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Der Entscheidungstext: 12 Os 117/12s

» https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20140130_OGH0002_0120OS00117_12S0000_000

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