SFH-142146 USA: Die Rettung der rostigen Brücken, Eine Analyse von Jörg Wimalasena, New York 8. April 2021, 17:14 Uhr
Joe Biden verspricht Billionen für Amerikas marode Infrastruktur. Doch das Geld genügt kaum. Dem Plan des US-Präsidenten fehlt eine Vision für die Zukunft der Mobilität.
Die Brent-Spence-Brücke hat schon einiges ausgehalten. Seit 57 Jahren verbindet sie die beiden Bundesstaaten Ohio und Kentucky – und das mehr schlecht als recht. Auf zwei Fahrbahnen kreuzen inzwischen doppelt so viele Fahrzeuge das baufällige Konstrukt wie ursprünglich vorgesehen. Für einen Seitenstreifen ist kein Platz. Und der braune Rost an den Stahlträgern lässt sich schon aus der Ferne erkennen. Vor zehn Jahren stürzte von einer Zubringerrampe Beton auf ein Fahrzeug. Im vergangenen Jahr löste ein Unfall mit einem Lastwagen voller Chemikalien ein Großfeuer aus. Aber nach einigen Reparaturen ist die Brent-Spence-Brücke, eine der meistbefahrenen im Land, längst wieder in Betrieb.
Fast sinnbildlich steht die Brücke für die verfallene Infrastruktur der » USA. Das war früher anders. Vor allem die Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Harry Truman machten den Ausbau der Infrastruktur zwischen den Dreißiger- und Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Treiber der US-Wirtschaft. Roosevelt ließ Strom in die ländlichen Gebiete legen und baute nach der Wirtschaftskrise der Zwanzigerjahre die Straßennetze aus. Das schuf Millionen von Arbeitsplätzen. In den Fünfzigerjahren dann begründete Truman das zwischenstaatliche Autobahnsystem – bis heute Kernstück des Güter- und Personenverkehrs in den USA.
Vom einstigen Glanz der US-Infrastruktur ist heute allerdings kaum etwas übrig geblieben. Verrostete Brücken, Schlaglöcher und ein störanfälliges Energienetz plagen Bevölkerung und Wirtschaft. Laut dem jährlichen » Zeugnis für Amerikas Infrastruktur der Ingenieursvereinigung American Society of Civil Engineers sind knapp 40 Prozent der amerikanischen Straßen in mittelmäßiger oder schlechter Verfassung und 7,5 Prozent der Brücken in "strukturell defizitärem" Zustand.
Versuche, ein großes Sanierungspaket auf den Weg zu bringen, scheiterten in den vergangenen Jahren vor allem an der politischen Polarisierung in Washington. » Donald Trump sprach zwar immer wieder über Infrastrukturpläne. Entsprechende Gesetze aber brachte der ehemalige Präsident nie durch den Kongress. Als die Demokraten im Jahr 2019 diverse parlamentarische Ermittlungen gegen ihn einleiteten, reagierte Trump beleidigt und verweigerte die Zusammenarbeit mit dem politischen Gegner. Das Thema Infrastruktur schien erledigt.
Biden will es besser machen
Trumps Nachfolger » Joe Biden will es nun besser machen. Er sieht sich nach der Verabschiedung eines 1,9 Billionen Dollar schweren Covid-Hilfspakets auf einem guten Weg, das zu bewerkstelligen, woran seine Vorgänger gescheitert sind. Sein Ziel: ein breites Infrastrukturpaket verabschieden und in den kommenden acht Jahren zusätzlich knapp zwei Billionen Dollar investieren, um marode Brücken und Straßen zu sanieren sowie die Infrastruktur für mehr E-Mobilität auszubauen. Am Mittwoch warb Biden in einer Rede für seine "» Investition in Amerika", die in dieser Größenordnung nur einmal pro Generation vorkäme.
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Allerdings stößt der American Jobs Plan schon jetzt auf Widerspruch. Vor allem dem linken Flügel der Demokraten geht Bidens Vorhaben nicht weit genug. Die Kongressabgeordnete » Alexandria Ocasio-Cortez etwa bezeichnete den Umfang des Hilfspakets als enttäuschend. Sie, die selbst für eine sozioökologische Erneuerung des Landes wirbt, vermisst unter anderem Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. In Bidens Plan sind zwar 40 Milliarden Dollar dafür vorgesehen, laut Ocasio-Cortez würde dieser Betrag jedoch nicht einmal für die notwendigsten sozialen Wohnungsbaumodernisierungen in ihrem Heimatstaat New York ausreichen.