Am Mittwoch ist die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin festgenommen worden. Sie wurde zuletzt von ihrer ehemaligen Geschäftspartnerin und Meinungsforscherin Sabine B. schwer belastet und liefert nun neues Material, um den gewünschten Kronzeugenstatus zu erlangen. Sie sagt, Karmasin habe auch als Ministerin unzulässig bei Aufträgen der öffentlichen Hand mitgeschnitten: nämlich 20 Prozent.
Nach ihrer Tätigkeit als Ministerin soll sie andere Meinungsforscherinnen aufgefordert haben, Scheinangebote zu stellen, damit Karmasin zum Schluss als vermeintliche „Bestbieterin" den Auftrag bekommt. Als Gegenleistung sollen an diese Meinungsforscherinnen Subaufträge erteilt worden sein. Die WKStA ermittelt wegen Geldwäsche und möglicher Bildung eines Kartells.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt seit dem Herbst gegen den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein engstes Umfeld – letztlich war das der Grund für Kurz' Ausscheiden aus der Politik. Der Vorwurf: Sabine B. soll für das Finanzministerium Umfragen abgerechnet haben, die mehr der Partei denn dem Ministerium zugutegekommen sein sollen. Diese Umfragewerte sollen dazu frisiert und über die Tageszeitung „Österreich" ventiliert worden sein. Das soll von großem Inseratenvolumen begleitet worden sein.
» B. strebt offensichtlich einen Kronzeugenstatus an, und hat darum bei ihrer jüngsten Aussage umfassend ausgesagt. Sie sprach von verfälschten und geschönten Ergebnissen, es soll auch Falschabrechnungen gegeben haben. Und: Sophie Karmasin soll bei all diesen Aufträgen 20 Prozent der Auftragssumme als Vermittlungsprovision kassiert haben. Und zwar über Jahre, auch als sie ab 2013 Ministerin für die ÖVP tätig war. Für Regierungsmitglieder besteht ein Erwerbsverbot - allerdings, wie so oft bei Regeln, die sich die Politik selbst auferlegt - sind Verstöße dagegen sanktionslos. Verrechnet wurde das über die Firma ihres Mannes. Laut WKStA betrugen die Provisionen für Karmasin insgesamt 46.480 Euro.
Die Umfragen
Karmasin wurde am Mittwoch am späteren Nachmittag verhaftet. Die Festnahmeanordnung liegt der „Presse" vor. Sabine B. hat offenbar noch mehr gestanden, als derzeit von der Akteneinsicht umfasst ist. „Gegen drei Beschuldigte wird wegen des Verdachts der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Vergabeverfahren gemäß § 168b ermittelt", schreibt die WKStA. Dieser Paragraf wird umgangssprachlich auch als „Kartell" bezeichnet. Also wenn sich Firmen absprechen, (Schein-)Angebote zu legen, damit etwa ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag bekommt. Genau das soll auch hier passiert sein.
Sabine B. hat laut der „Presse" vorliegenden Unterlagen ausgesagt, dass Karmasin sie und eine weitere Meinungsforscherin gebeten hat, Scheinangebote zu legen, damit Karmasin zum Schluss als Bestbieterin aus dem Verfahren hervorgeht. Konkret geht es um drei Studien, die zwischen 2019 und 2021 an das Ministerium für Beamte und Sport, bzw. Ministerium für Beamte, Sport und Kultur gelegt wurden. Es ging jeweils um Zigtausende Euros.
Karmasins Gegenleistung: Ein Subauftrag an Sabine B. .
Die WKStA schreibt in ihrer Aussendung auch, gegen zwei der drei in dieser Sache Beschuldigten wegen Geldwäsche zu ermitteln. Geldwäsche passiert immer dann, wenn jemand Gelder verwendet, von denen er weiß, dass sie gesetzeswidrig erlangt wurden. Das wird nun Sabine B. und auch Karmasin vorgeworfen.
Die Vorgeschichte
B. war einst Mitarbeiterin von Karmasin, machte sich dann selbstständig - und ihre alte Mentorin vermittelte ihr gut dotierte Aufträge. „Schick dem Thomas Schmid deine Umfragen, da kannst du Aufträge machen", soll Karmasin etwa gesagt haben. B. traf daraufhin den Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums und führte für das Ministerium daraufhin 14 (qualitativ mangelhafte) Studien im Wert von 587.400 Euro durch.
Ein Gutteil dieser Studien soll sich aber eigentlich parteipolitisch motivierte Fragen gewesen sein, gestand Sabine B. zuletzt. Da wurden zum Beispiel die Zufriedenheit mit Christian Kern als Oppositionspolitiker abgefragt oder die Beliebtheitswerte des burgenländischen Landeshauptmanns Hans-Peter Doskozil. Man wollte etwas zum „Kampf politischer Islam" wissen - und auch die Performance der WKStA war Teil solcher Umfragen. Verschiedene Politiker wurden mit Tieren verglichen und B. machte innerhalb der Parteien Pseudo-Familienaufstellungen. Die interne Revision, eingesetzt durch die Finanzprokuratur, kritisierte die Umfragen scharf.
Die Ansprechpartner
Wenn öffentliches Geld nicht zweckmäßig verwendet wird, entspricht das dem Verdacht der Untreue. Inhaltlich soll sich B. mit Kurz' Pressesprecher Johannes Frischmann abgestimmt haben - der war zuerst im Finanzressort und dann im Bundeskanzleramt tätig. Die Rechnungen wurden von Johannes Pasquali abgezeichnet. Er war Chef der Kommunikationsabteilung im Finanressort und wurde suspendiert. Thomas Schmid soll die Aufträge für die Studien erteilt haben. Und die WKStA vermutet, dass Sebastian Kurz Bestimmungstäter sein könnte - also sein engstes Umfeld zu diesen Taten motiviert haben soll. Alle Genannten bestreiten die Vorwürfe.
Karmasin hat B. neben dem Finanzministerium auch Aufträge bei der Tageszeitung „Österreich" vermittelt. Außerdem soll sie weiterhin Mentorin gewesen sein, und vor Veröffentlichung der Ergebnisse empfohlen haben, wie diese aussehen. „Immer in der Schwankungsbreite", wie Karmasins Anwalt Norbert Wess gegenüber der „Presse" sagte.
Die Anklagebehörde
Gegenüber der „Presse" sagt die WKStA am Donnerstag: „Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt gegen Sebastian Kurz und neun weitere Beschuldigte sowie gegen drei Verbände Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gemäß § 153 Abs 1 und 3 StGB, der Bestechlichkeit gemäß § 304 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Bestechung gemäß § 307 Abs 1 und Abs 2 StGB teils in unterschiedlichen Beteiligungsformen (s. Pressemitteilung vom 6. Oktober 2021). Aufgrund von Beweisergebnissen aus dem Ermittlungsverfahren werden nunmehr zudem gegen drei Beschuldigte wegen des Verdachts der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Vergabeverfahren gemäß § 168b Abs 1 StGB, gegen zwei davon darüber hinaus auch wegen des Verdachts der Geldwäscherei gemäß § 165 Abs 1 dritter Fall StGB iZm Provisionsleistungen, Ermittlungen geführt. Nach gerichtlicher Bewilligung erfolgte in diesem Zusammenhang am 2. März 2022 die Festnahme einer Person wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr."
Karmasins Anwalt Norbert Wess war nicht erreichbar. Innerhalb von 48 Stunden nach der Festnahme muss ein Gericht entscheiden, ob die U-Haft verhängt wird.