SFH-142908  Monopole Wie Konzerne wie Apple, Microsoft und Co. Wohlstand abschöpfen

Mit riesigen Kartellen stecken Großmächte ihren Einfluss ab – damit gewinnen sie in jeder Krise. Die Rechnung bezahlen europäische Verbraucher.

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Die Großen fressen die Kleinen: So funktioniert auch der moderne Markt. Die großen Konzerne haben immer mehr Macht, kleine Unternehmen hingegen haben kaum Chancen.

Die Großen fressen die Kleinen: So funktioniert auch der moderne Markt. Die großen Konzerne haben immer mehr Macht, kleine Unternehmen hingegen haben kaum Chancen.

  • In immer mehr Branchen schalten globale Monopolkonzerne den Wettbewerb aus. Das schadet der Chancengleichheit – und geht auf Kosten hiesiger Verbraucher.
  • China, Russland, aber auch die » USA entwickeln solche Monopolisten strategisch, um im Kampf Autokratien gegen Demokratien wirtschaftlich potenter zu sein.
  • Wenn Europa gegenhalten will, braucht es eine Neuerfindung der Sozialen Marktwirtschaft: mit mehr Start-up-Förderung, einem starken Wettbewerbsrecht, und vielfältig strukturierten Branchen.

Krise ist, wenn fast alle verlieren und wenige gewinnen. Wer nach Gemeinsamkeiten der drei großen Weltkrisen dieser Zeit sucht, wird diese finden: Egal ob die Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine, » der Inflation oder der Energieknappheit in Deutschland und Teilen Europas – die demokratische Öffentlichkeit verliert an ihnen; wenige Konzerne gewinnen.

Da ist etwa » Gazprom, das trotz scharfer Sanktionen und Zutrittseinschränkungen zu fast allen lukrativen Märkten Europas im ersten Halbjahr einen Rekordgewinn von 42 Milliarden Euro verbucht. Da sind » Exxon, » Chevron, Total, » Shell und » BP. Während der Westen unter Energiearmut stöhnt, verdienten die Big Five des Ölgeschäfts allein im zweiten Quartal 62 Milliarden Dollar, „mehr als Gott", wie US-Präsident » Joe Biden fluchte.

Da wären auch die deutschen Energiekonzerne. Während Verbraucher unter einer auch von den Energiepreisen getriebenen Inflation von bis zu zehn Prozent leiden, erwartet » RWE einen Gewinn von bis zu 5,5 Milliarden statt bisher geplanten vier Milliarden Euro.

Und selbst das Lieferkettendrama der Deutschen und der Weltwirtschaft kennt Gewinner: Bei den Reedern stieg der Preis für einen Container von früher unter 2000 auf 12.000 Dollar. Allein » Maersk verdoppelte im ersten Halbjahr 2022 den Gewinn auf 15 Milliarden Euro.

Und auch diese Konzerne haben wiederum eine Gemeinsamkeit: Sie alle bewegen sich in Märkten, in denen wenige Anbieter gigantische Volumina kontrollieren. Oder anders gesagt: Sie verfügen über „Pricing-Power".

Wo Wettbewerb fehlt, zahlt der Kunde. „Je konzentrierter ein Oligopol ist, desto leichter fällt es, Preise zu erhöhen", erklärt der Bonner Unternehmensberater und Wirtschaftsprofessor Hermann Simon. In der Inflation werde „Pricing-Power zur wichtigsten Voraussetzung für Erfolg"
Übergewinne sorgen für steigende Preise
Daraus resultierende „Übergewinne" der Marktmächtigen kommen beim Verbraucher als rapide steigende Lebenshaltungskosten an und sorgen für sozialen Zündstoff. Diese Entwicklung ist kein Zufall. Sie ist Ergebnis einer ökonomischen Zeitenwende, die vor ziemlich genau vier Jahrzehnten begann.

Ökonomen verändern selten die Welt, aber damals ist dies geschehen. Da schworen führende Wirtschaftswissenschaftler der University of Chicago dem Kampf gegen Monopole ab. Sie hielten Größe von Konzernen nicht länger per se für „unamerikanisch", lehnten die alte, strikte Wettbewerbskontrolle ab und forderten, Märkte sich weitgehend selbst zu überlassen.

Mit der Zeit sei er „nach und nach zu der Überzeugung gelangt, dass Kartellgesetze viel mehr schaden als nützen und es uns besser ginge, wenn es sie überhaupt nicht gäbe", befand Wirtschaftsnobelpreisträger George Stigler, einer der Stars der „Chicago School". Diese neue Lehre vom Laisser-faire wurde zur wirtschaftspolitischen Leitschnur des 1980 an die Macht gekommenen US-Präsidenten Ronald Reagan und seiner Nachfolger.

Die „Chicago School" trug in den USA maßgeblich zu einer immer größeren Wirtschaftskonzentration bei – und zu machtvollen, an der Börse hoch gehandelten Superstarfirmen. Insbesondere auf den Feldern Technologie, Finanzen und Energie breiteten sich US-Giganten auf den Weltmärkten aus und stoßen dort auf riesige Staatskonzerne autoritärer Staaten wie Russland und China. Der Systemwettbewerb zwischen Demokratie und Autokratie – der neue kalte Krieg der Wirtschaft – wird mit Monopolen und großen Oligopolen ausgetragen, mehr oder weniger offen durch Regierungen unterstützt.   Diese neue Welt wird nicht nur durch die derzeitigen Krisengewinnler geprägt, sondern auch durch Konzerne wie » Amazon, die den Onlinehandel beherrschen und mit ihren Cloud-Diensten auch der US-Regierung helfen, von Giganten wie Tencent, dessen Super-App „Wechat" 1,1 Milliarden Chinesen nutzen, von staatlichen Mega-Konglomeraten wie Chem China. Oder von einem Finanzriesen w
Der ökonomische Größenrausch („The bigger the better") verändert das Geschehen der Marktteilnehmer radikal. Aus der einst gelebten Vielfalt wird die Eintönigkeit der Größten. Und häufig beginnen politische Motive wirtschaftliche zu überlagern.

>> Lesen sie hier: » US-Konzerne hängen Europas Unternehmen in immer mehr Branchen ab

Es handelt sich um den vielleicht bedeutsamsten Wirtschaftstrend. Kein Staat, keine Branche, keine Wirtschaftsgemeinschaft kann sich ihm entziehen. Globalisierung, Digitalisierung und der Vormarsch der Kapitalindustrie („Finanzialisierung") führten dazu, dass sich immer mehr Macht in den Händen immer weniger Konzernherren vereinigt – was Demokratie und Wohlstand gefährdet.

Höhere Preise, weniger Innovationen

Die Folgen sind fatal. Sie führen zu höheren Preisen, weniger Innovationsfähigkeit und zum Übermaß politischer Macht. Herausgefordert ist somit die deutsche Soziale Marktwirtschaft, wie sie nach 1945 als Reaktion auf die untergegangene Monopolwirtschaft der Nazis von Ökonomen wie Alfred Müller-Armack, Walter Eucken und Ludwig Erhard ersonnen wurde: als lebendiger, vollkommener Wettbewerb mit einem Staat, der über eine aktive Anti-Kartell-Arbeit die Regeln setzt.

„Die meisten Märkte sind mehr oder weniger oligopolistisch geprägt", analysiert die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, Professorin in München. Vollkommenen Wettbewerb habe es in der Praxis selten gegeben: Das Entscheidende sei, „dass man Wettbewerb hat, weil Wettbewerb Freiheit bedeutet".

Das genau ist die aktuelle Kernfrage: Gibt es überhaupt noch genügend Wettbewerb? Oder greift nicht schon längst die Unfreiheit der Monopole, Quasimonopole und Oligopole um sich?

>> Lesen Sie hier:» Fehlende Innovation: Zehn Strategien, die Deutschland zurück an die Weltspitze bringen

Zuletzt hatte die Wirtschaft manisch auf immer mehr Fusionen und Übernahmen gesetzt, begünstigt durch Niedrigzinsen. Im Rekordjahr 2021 betrug das Transaktionsvolumen bei Mergers & Acquisitions (M&A) rund 5,9 Billionen Dollar. Zuletzt war es 2007, im Jahr vor dem Finanzcrash, so heftig zugegangen.

Der Freiburger Wirtschaftsprofessor Lars Feld, Leiter des Walter-Eucken-Instituts, kritisiert, es sei „viel zu kurz gesprungen", einfach in Firmen nur auf Größe zu setzen, um Skalenerträge zu erzielen. Natürlich wundere es nicht, wenn Unternehmen, die schon groß sind, noch größer werden wollen, so der „persönliche Beauftragte" von Finanzminister Christian Lindner.

Das Management freue sich darüber, dann könne man bessere Gehälter und Boni zahlen. Am Ende aber gebe es ein zentrales Element, so Feld: „Nur Wettbewerb auf den Märkten und dessen Sicherstellung durch das Wettbewerbsrecht und die Wettbewerbspolitik beschränken ein solches Verhalten."

Amazon gehört mit Google, Facebook, Apple und Microsoft zu den
Amazon Pakete

Amazon gehört mit Google, Facebook, Apple und Microsoft zu den "Big Five". Zusammen machten sie 2021 rund 300 Milliarden Dollar Gewinn.

» (Foto: Reuters)

Greift diese Einsicht nicht, ist der Weg auch klar: Dann wird die Marktwirtschaft zur Machtwirtschaft. In vielen Branchen ist das schon so – bei Rohstoffen, Daten oder Finanzen herrscht längst die Macht der Eintönigkeit. Und so stellt sich immer lauter die Frage: Was kann Europa tun, um diesen Trend – der bisher immer auch ein Verlagern von Macht und Profiten in andere Weltgegenden bedeutete – noch aufzuhalten?

1. Digitalindustrie: Moderner Raubtierkapitalismus

Wen immer man zum Thema „Monopol" befragt, dem fallen sofort fünf Digitalgiganten aus Amerika ein: » Google (Mutterkonzern: Alphabet), » Amazon, » Facebook (Mutterkonzern: Meta), » Apple und » Microsoft. Das Quintett ist als „Gafam" in die Debatte um Macht und Übermacht gut eingeführt.

Diese „Big Five" sind so etwas wie allgegenwärtige Lebensbegleiter im Alltag vieler Menschen. Und so groß und mächtig wie Staaten. Kein Wunder, dass man in Brüssel beschloss, eine EU-Außenvertretung just im Silicon Valley zu etablieren. Es handele sich um „machtvolle Akteure, die einen so großen Einfluss auf die Gesellschaft haben, wie es in der Vergangenheit selten der Fall war", hält ein internes Papier des Europäischen Auswärtigen Dienst fest.

Zusammen setzte „Gafam" 2021 rund 1,4 Billionen Dollar um und machte 300 Milliarden Dollar Gewinn. Rendite: mehr als 20 Prozent. Zu Silvester war man knapp neun Billionen wert – eine Rekordgröße, die infolge der Zinswende und der geopolitischen Eruptionen 2022 wieder sank. Aber die strukturelle Macht über öffentliche Plätze in privater Hand blieb.

Da ist Google mit seiner Suchmaschine (Marktanteil in Staaten wie Deutschland: mehr als 90 Prozent), Amazon mit der Kontrolle des E-Commerce (in vielen Ländern zu 50 Prozent), » Apple mit seinem iPhone, das 75 Prozent der globalen Gewinnsumme aller Smartphones abgreift, der » Microsoft-Konzern, der die Bürokommunikation beherrscht, oder » Facebook mit den gut drei Milliarden Nutzern seines sozialen Netzwerks. Dessen Gründer » Mark Zuckerberg verkündet: „Konnektivität ist ein Menschenrecht."Diese Kontrolleure des digitalen Lebens machen sich höchstens noch selbst Konkurrenz: bei der Onlinewerbung,» beim Aufbau einer virtuellen Welt im „Metaverse" oder im Cloud-Geschäft, wo Marktführer Amazon zusammen mit » Alphabet und Microsoft in den USA auf 80 Prozent Marktanteil kommt.

Das feste Fundament der Macht sind ihre Monopole im Stammgeschäft. Hier wirken „Netzwerkeffekte": Wo alle dabei sind, macht jeder mit. Und wer einmal drin ist im Ökosystem, kommt nur schwer wieder heraus.

Wettbewerb ist etwas für Verlierer Peter Thiel, Silicon-Valley-Investor

Jürgen Kühling, Chef der deutschen Monopolkommission, hält die US-Internetgrößen inzwischen für Monopole, vor denen uns unsere Großeltern immer gewarnt haben: „Big Tech ist ein systemisches Risiko."

Wer immer den „Big Five" gefährlich oder auch nur nützlich erschien, wurde aufgekauft. In den letzten zehn Jahren haben sie insgesamt rund tausend Unternehmen akquiriert. Google und Co. sind riesige Firmenfriedhöfe.

Von den meisten Neuerwerbungen hat man nie wieder gehört. Es erging ihnen so wie dem Münchener Start-up Metaio, das einst mit innovativen Techniken der Augmented Reality die Produkte von » VW, » Ferrari, » Siemens oder » Ikea aufhübschte.

Die mit öffentlichen Geldern geförderte Jung-Firma, die Ableger in San Francisco, Dallas und New York hatte, wurde 2015 von Apple erworben und verschwand dann in der Versenkung. Den Käufer interessierte nur das Know-how. Apple-Chef Tim Cook machte einmal öffentlich, dass er alle zwei bis drei Wochen eine kleine Firma kauft – mit dem einzigen Zweck, so das eigene iPhone zu verbessern.

Verschwundene Firmen: Buy to destroy

Bei Amazon verschwand die akquirierte Onlinehandelsfirma Quidsi. Sie war zuvor mit dem Verkauf von Windeln, Seife und Kosmetikprodukten stark gewachsen. Um deren weiteren Aufstieg zu verhindern, hatte Amazon-Chef Jeff Bezos einfach die eigenen Preise für Windeln und Babyprodukte um 30 Prozent gesenkt sowie einen eigenen Service („Amazon Mom") gestartet.

Das hatte Quidsi 2015 zum Deal mit Amazon genötigt, zwei Jahre später war man weg vom Fenster. » Instagram und » WhatsApp wiederum gibt es als eigene Marken noch, für viel Geld aber sind sie in den Meta-Konzern eingemeindet worden – Datenaustausch inklusive. Solche „killer acquisitions" neutralisieren mögliche Konkurrenten. Es gilt das Motto des „Raubtierkapitalismus": Buy to destroy.

Die Erlaubnis für Zuckerberg, die aussichtsreichen Start-ups » WhatsApp und » Instagram zu kaufen, habe zum „Kippen der Märkte" beigetragen, befindet Kartellamtspräsident Andreas Mundt: „Bei der Regulierung der großen Plattformen haben wir zu lange gebraucht, bis wir in die Gänge gekommen sind."

Angesichts von „killer acquisitions" und Firmenfriedhöfen erweist sich das gepflegte Narrativ vom Innovationsparadies Silicon Valley als Mär. Anders als in der Theorie des Nationalökonomen Josef Schumpeter von der „schöpferischen Zerstörung" werden hier Pioniergewinne nicht ausgeglichen durch Nachahmer.

Der Pionier bleibt Monopolist. Und das ist ganz im Sinne eines Silicon-Valley-Investors wie Peter Thiel, der » Paypal und Palantir mitgegründet sowie Firmen wie Facebook mitfinanziert hat: „Wettbewerb ist etwas für Verlierer." Das Monopol wird hier zum Guten: „Monopolisten können es sich leisten, an etwas anderes zu denken als an Geld."

Die Monopolmacht von Google und Co. ist erdrückend. Sie droht sich – mit der Digitalisierung – auf viele Märkte auszudehnen. Es begann mit den Medien, wo die klassischen Anbieter Werbeumsätze abgeben mussten und Streamingdienste von Amazon und » Netflix Zuschauer anziehen.

Die internationale US-amerikanische Investmentgesellschaft ist mit über 10 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen der weltgrößte Vermögensverwalter. Quelle: Bloomberg
BlackRock

Die internationale US-amerikanische Investmentgesellschaft ist mit über 10 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen der weltgrößte Vermögensverwalter.

(Foto: Bloomberg)

Betroffen sind auch Gesundheitsdienste, der Automarkt, Versicherungen, Banken und die öffentliche Verwaltung, wo sich etwa Microsoft anschickt, den Bundesbehörden viel Arbeit abzunehmen. Die Zukunft der Daten gehört denen, die damit als Monopolist umgehen können.

Helfen kann nur die Wiederentdeckung des Wettbewerbs, wie es US-Präsident Joe Biden propagiert, ganz im Bewusstsein amerikanischer Tradition. Schließlich war es vor mehr als 100 Jahren gelungen, mächtige Trusts wie Standard Oil aufzulösen. Derzeit laufen juristische Verfahren, Meta zu zerschlagen.

Anders als der langjährige Facebook-Verwaltungsrat Thiel sieht Biden einen offenen und fairen Wettbewerb als Grundvoraussetzung für Wachstum und Wohlstand im Kapitalismus – andernfalls sei er nur Ausbeutung. Mitte 2021 hatte er die konzernkritische Juristin Lina Khan als Chefin der Wettbewerbsbehörde FTC eingesetzt.

Sie glaubt, das Fehlen von Wettbewerb habe Sektoren der US-Wirtschaft „brüchiger" gemacht. Es gehe – wie Ende des 19. Jahrhunderts im Kampf gegen Eisenbahnmonopole – bei Amazon und Co. darum, allgemeingültige, faire Regeln aufzustellen. Der Kampf um mehr Konkurrenz läuft.

Das » trieb auch die EU-Kommission zu ihrem Digital Markets Act (DMA). Er soll 2024 zur Anwendung kommen und beschreibt 20 verbotene Verhaltensweisen. Zum Beispiel, dass sich Amazon oder Google für eigene Geschäfte auf ihren Plattformen nicht selbst bevorzugen dürfen.

>> Lesen Sie hier: » Neue Internet-Regeln der EU: Wie sich Apple, Google und Amazon jetzt ändern müssen

Die Digitalgiganten müssen bei Verdacht von Fehlverhalten selbst ihre Rechtschaffenheit beweisen. Notfalls droht Zerschlagung. Ob damit aber die bisher üblichen Wettbewerbsverfahren der Behörden obsolet werden, darf bezweifelt werden. Rechtsverstöße wird man auch künftig prozesssicher nachweisen müssen.

Einige Ökonomen empfehlen denn auch, das Google-Monopol beim Handy-Betriebssystem („Android") in eine Nonprofit-Firma auszulagern und die Daten per Open Source allen Interessierten zu offerieren. Das Mittel der Entflechtung, das Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) schon 2010 propagierte, will der aktuelle Amtsinhaber Robert Habeck (Grüne) bald einführen. Sein Entwurf für ein „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz" gibt dem Bundeskartellamt mehr Rechte – bis zur „eigentumsrechtlichen Entflechtung" von Unternehmen.

Zum besseren Schutz vor Kartellen hat in Deutschland bereits ein neuer Paragraf 19a ins Wettbewerbsgesetz Einzug gehalten. Er befähigt das Kartellamt, gegen eine „überragende marktübergreifende Bedeutung" vorzugehen – und nicht mehr nur, wie bisher, gegen eine „marktbeherrschende Stellung".

2. Finanzen: Macht hinter den Konzernen

In der Finanzwelt war John Bogle (1929 bis 2019) zeitlebens eine geachtete Persönlichkeit. Auf den Gründer des einflussreichen Vermögensverwalters Vanguard geht die Idee der passiven Investmentfonds zurück. Sie investieren bei geringen Kosten nicht in einzelne Aktien, sondern in ganze Aktienindizes wie etwa den Dax.

Solche an der Börse gehandelten Exchange-traded Funds (ETFs) sind inzwischen bei Anlegern äußerst populär – und haben den Vermögensverwaltern als institutionelle Investoren eine einzigartige Macht bei Aktiengesellschaften gegeben. Sozusagen ein Monopol durch die Hintertür.

>> Lesen Sie hier: » Diese ETFs versprechen weniger Risiko in unsicheren Zeiten – Wie sie funktionieren und was sie bringen

Kurz vor seinem Tod warnte ausgerechnet Altmeister Bogle vor den neuen Verhältnissen. Es gebe ein Risiko, dass „eine Handvoll riesiger institutioneller Investoren eines Tages über die Stimmrechte die Kontrolle über praktisch jede amerikanische Aktiengesellschaft ausüben" werden.

Schon heute kontrollieren Assetmanagement-Riesen wie Vanguard, » State Street und Marktführer Blackrock („Big Three") in den USA durchweg 20 Prozent der Aktien börsennotierter Firmen, woraus sich bei Hauptversammlungen leicht eine Sperrminorität ergibt. Der ETF-Marktanteil der „Big Three" liegt in den USA bei 80 Prozent.

Der heimliche Banken-Sozialismus

Es scheint sich um eine Art heimlichen Sozialismus der Finanzingenieure im vorgeblichen Dienst der Altersversorgung zu handeln, schließlich haben über Blackrock und Co. viele Pensionskassen ihr Geld für die Rentenbezüge ihrer Mitglieder angelegt. Diese Zwänge treiben eine einzigartige „Finanzialisierung" an: Einem Weltfinanzvermögen von 424,5 Billionen Dollar stand 2021 eine Realwirtschaft, also die Produktion von Gütern und Dienstleitungen, in Höhe von nur 96,3 Billionen gegenüber.

Die Macht der institutionellen Investoren wird so immer größer, auch in Europa. So ist Blackrock mit Gründer Larry Fink bei jedem zweiten Dax-Konzern als größter oder zweitgrößter Aktionär mit im Boot. Mehr als zehn Prozent der Aktien des Dax entfallen auf die Amerikaner.

So viel Macht ist besonders gefragt, wenn es zu Fusionen zweier Großkonzerne wie » Vonovia und » Deutsche Wohnen kommt. Hier saß Blackrock auf jeder Seite als Großaktionär.

Das Phänomen der Überpräsenz solcher Fondsfirmen ist als „Common Ownership" bekannt. Der Ökonom Martin Schmalz hat mit Kollegen immer wieder darüber geforscht und etwa nachgewiesen, dass aufgrund solcher Strukturen Bankkunden in den US-Staaten Kalifornien, New York und New Jersey vergleichsweise schlechte Konditionen bekommen hätten, obwohl es hier viele Bankfilialen gab. Auch habe „Common Ownership" den Markteintritt neuer Wettbewerber im US-Pharmamarkt verzögert.

2021 verwaltete Blackrock ein Vermögen von zehn Billionen Dollar (heute 8,5 Billionen). Nur die Volkswirtschaften der USA (rund 23 Billionen) und der Volksrepublik China (16,9 Billionen) waren größer. Vor allem bei ETFs ist Blackrock mit den eigenen „iShares" dominant: 44 Prozent Marktanteil in Europa.

So ist verständlich, dass die CEOs aller Großkonzerne um Harmonie mit dieser Kapitalsammelstelle bemüht sind. Schließlich hat Blackrock mit „Aladdin" auch ein Computersystem zur Verfügung, das in der Finanzbranche oft genutzt und von Fink als „Sprache der Portfolios" gerühmt wird.

Die Firma besitzt auch Immobilien, ist als Geldverleiher aktiv und berät Regierungen und Notenbanken. Von einer „problematischen Machtzusammenballung" spricht Gerhard Schick, langjähriger finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag sowie Gründer der Bürgerbewegung „Finanzwende": „Wenn es um die Tech-Giganten dieser Welt geht, also um Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft, darf man Blackrock nicht weglassen. Es handelt sich um dieselbe datenbasierte Marktdominanz."

Fink ist Gründer, Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstandsvorsitzender des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock. Quelle: AP
Larry Fink

Fink ist Gründer, Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstandsvorsitzender des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock.

(Foto: AP)

Tariq Fancy, von Januar 2018 bis September 2019 Chef für nachhaltige Geldanlage bei Blackrock, stößt ins selbe Horn. Die Branche der Vermögensverwalter sei so hochkonzentriert, dass sie mittlerweile die Regeln und Standards setze: „Sie haben so viel Abstimmungsmacht und Kapitalkonzentration, dass sie die Situation völlig kontrollieren."

Seit einigen Jahren punktet Larry Fink dabei mit ESG-Investments: ökologisch, sozial und im Sinn einer ethischen Unternehmensführung. ESG sei nur „Tünche", kritisiert Fancy, fürs Klima machten grüne ETFs keinen Unterschied, wohl aber für die Bilanz: „Das vermeintlich grüne Produkt kostet mehr Gebühren."

„Manche wünschen sich, dass das Finanzsystem ganz allein die Welt transformiert", spielt Yves Perrier, Verwaltungsratschef des Vermögensverwalters Amundi aus Paris, auf Blackrock an: „Das ist weder möglich noch wünschenswert. Es würde bedeuten, ein demokratisches in ein plutokratisches System zu verwandeln."

Monopolismus des Monopolismus

Die Macht Finks ist so groß, dass sogar Chinas Regierung ihn während des Wirtschaftskriegs mit den USA unter Donald Trump wiederholt um Rat fragte. In den Schwellenländerfonds von Blackrock spielen die chinesischen Digitalgiganten Baidu, » Alibaba und Tencent eine ebenso große Rolle wie etwa der Staatskonzern » Petro China.

Fink wurde 2021 von Peking mit der Erlaubnis belohnt, als erste westliche Firma ganz allein einen chinesischen Publikumsfonds aufzulegen. Das sei ein „tragischer Fehler", kritisierte der Investor George Soros, es gebe wegen der Abhängigkeit von staatlicher Willkür in China eine „Uninvestierbarkeit".

Tatsächlich pflegt und hegt das Land seine staatlichen Monopole, auch im Bankensektor. Die vier größten Geldinstitute – und damit der Welt – sind über die Holding Huijin in der Hand des Finanzministeriums. So werden Kredite und Investitionen gelenkt.

Im westlichen Finanzkapitalismus bewirkt der Blackrock-Kapitalismus eine Art Monopolismus des Monopolismus. Er verstärkt Konzentrationstendenzen in ohnehin vermachteten Märkten, weil große Investoren ihre Milliarden lieber in Firmen mit viel Marktanteil und Pricing-Power investieren.

Sie machen es so wie » Warren Buffett, 92: Der Gründer und CEO der Finanzfirma Berkshire Hathaway sei „eine wandelnde Einheit für das Maß der Wettbewerbsintensität", sagt Kartellamtschef Mundt: „Sein Geld steckt er oft in hochkonzentrierte Märkte, wo wenige Player hohe Preise setzen können." Buffett selbst spricht von „economic moats", von Gräben, die ein Unternehmen wie ein Schloss oder eine Burg schützen müssten.

Gerade Common Ownership erregt immer wieder Kritik. Es führe „potenziell zu Wettbewerbsproblemen, da Eigentümer mehrerer Unternehmen derselben Branche mehr am Branchengewinn‧ als am Unternehmensgewinn interessiert sind", sagt der Mannheimer Wirtschaftsprofessor Achim Wambach.

Einer Elhauge, Rechtsprofessor an der Harvard University, spricht von der „größten wettbewerbswidrigen Bedrohung unserer Zeit". Und so entstand 2019 bei einer Anti-Trust-Konferenz in Harvard die „World Antimonopoly Organization", die den „Kleinunternehmenskapitalismus" stärken will.

Zwecks Machtbegrenzung bietet sich an, die Stimmrechtsmacht der Vermögensverwalter bei maximal fünf Prozent zu fixieren. Auch wird vorgeschlagen, die Kunden eine „Stewardship-Gebühr" von 0,001 Prozent bezahlen zu lassen – mit der dann eine separate, unabhängige Kontrolle der Konzerne finanziert werde. Die Bürgerbewegung „Finanzwende" fordert sogar eine Zerschlagung von Blackrock. Kein Problem, erklärte CEO Fink: Er könne, falls gewünscht, einzelne Unternehmensteile abtrennen und einer separaten Aufsicht unterstellen. Wie ernst hat er das gemeint?

3. Rohstoffe: Monopole als Waffe

Warum Monopole schädlich sind, hat jeder auf der Welt am Beispiel der größten Erdgasförderfirma der Welt gelernt. Am Beispiel eines Staatskonzerns, der im heimatlichen Russland längst einst regierungskritische Medien besitzt und Anlagen für Kunststofffabriken herstellt, der vor allem aber als Einziger ein gigantisches Pipelinenetz nutzen darf, um Erdgas zu transportieren – » bis zum Beginn von Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine vorwiegend nach Deutschland.

In der Spitze stammten allein 40 Prozent der deutschen Gasimporte von diesem Monopol namens » Gazprom, für das 2011 eine eigene Ostseegasröhre eingeweiht wurde, Nord Stream 1. Auch beim Erdöl hatte Russland über seinen Staatskonzern Rosneft eine starke Lieferantenstellung.

Monopole, wenn sie denn erst einmal bestehen, werden ausgenutzt, das zeigt Gazprom. Seit Kriegsbeginn spielt Staatspräsident Putin über die Firma Katz und Maus mit dem „Kunden" Deutschland: Die Abgabemenge ging von 100 Prozent über 40 und 20 Prozent auf null herunter, » am Ende gab es sogar Sprengungen an den Röhren. Die Lust an Anti-Russland-Sanktionen und Waffenlieferungen für die Ukraine soll gedämpft werden.

Exponentiell steigende Gaspreise und Lieferprobleme setzen der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft zu. Und am Ende halfen gegen die Staatsmonopole Gazprom und Rosneft nur Verstaatlichungen durch den Bund: sowohl der Deutschlandtochter von Gazprom und des Gasversorgers » Uniper als auch der Ölraffinerie PCK im ostdeutschen Schwedt.

Eine » Allianz aus Politik und Wirtschaft – von Gerhard Schröder bis Angela Merkel – hatte sich von den billigen, umfangreichen Gas- und Ölliefermengen aus Russland täuschen lassen. Gas-Fördergesellschaften seien oft in staatlicher Hand beziehungsweise monopolistisch ausgestattet, befindet die Monopolkommission.

Die eigenen Liefermonopole seien für Russland ein „Asset" gewesen. So ließen sich etwa osteuropäische Regierungen unter Druck setzen. Auch in der Atomwirtschaft hat Putins Zwangssystem eine monopolartige Stellung. Kein Staat kann besser mit seinen Anlagen das Uran für die Nutzung in Atommeilern aufbereiten als Russland. Der Staatskonzern Rosatom deckt 40 Prozent des globalen Bedarfs an aufbereitetem Uran ab.

Putins willkommene Waffe

Einseitige Lieferstrukturen sind oft Folge einer außer Kontrolle geratenen Globalisierung, bei der Effizienz, in Dollar oder Euro gerechnet, weitaus wichtiger erschienen als Versorgungssicherheit. Dabei warnt jedes betriebswirtschaftliche Lehrbuch, sich bloß nicht von wenigen oder sogar nur einem Lieferanten abhängig zu machen.

Für den russischen Präsidenten Putin wiederum war die eigene Rohstoffmacht eine willkommene Waffe im geoökonomischen Kampf um eine neue Weltordnung. Dabei fällt auf, dass die Abhängigkeit der westlichen Wirtschaft von chinesischen Rohstoffmonopolen noch wesentlich größer ist als die von Russland.

Wo Putin sein Machtspiel über fossile Rohstoffe aufzog, könnte Peking leicht etwas Ähnliches über mineralische Rohstoffe inszenieren. Sie spielen in der Ökonomie der Zukunft (Klimaschutz, Digitales) eine große Rolle. China ist bei 22 von 53 dieser Rohstoffe das weltweit größte Bergbauland und findet sich sei bei etlichen weiteren Rohstoffen unter den Top 3.

Das sei sein „erheblicher Anteil, es ist fast die Hälfte weltweiter Bergbauproduktion", sagt Peter Buchholz, Chef der staatlichen Deutschen Rohstoffagentur. Auch sei die Volksrepublik bei 23 von 25 Raffinadeprodukten der weltgrößte Hersteller.

Zudem hat sich das System, etwa über die teils staatliche Shenge Resources Holding, in vielen Ländern an Minen beteiligt oder Abnahmeverträge geschlossen. Am Ende hat Peking Zugriff auf Lithium und Kobalt, bestimmt über knapp 60 Prozent der wichtigen Seltenen Erden und dominiert bei Magnesium und Silizium. Als China 2021 diese beiden Stoffe zeitweise nicht mehr lieferte, wackelte die Weltwirtschaft. Bänder standen still.

Ohne die mineralischen Rohstoffe aus China wird es, Stand heute, nichts mit dem „Green Deal" der EU-Kommission. Windräder, Solarzellen, Batterien, Speicher oder elektrische Motoren brauchen diese Materialien. Allein 90 Prozent der wichtigen Dauermagneten (mit dem Stoff Neodym) stammen aus China.

Für den Fall, dass die kommunistische Volksrepublik nach der demokratischen Insel Taiwan greifen sollte, ist die Widerstandskraft westlicher Staaten aus solchen Gründen begrenzt. „Durch die hohe Angebotskonzentration kann Marktmacht durch marktbeherrschende Länder oder Anbieter ausgeübt werden", warnt die Deutsche Rohstoffagentur. Und immerhin sitzt auf dem Eiland mit der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) die weltweit mit großem Abstand bedeutendste Gießerei für Halbleiter.

Wohin die Reise führt, offenbarte Chinas Ex-Ministerpräsident Wen Jiabao 2010: „Anfang der 1980er-Jahre haben wir die Seltenen Erden noch zum Preis von Salz verkauft. Doch eigentlich verdienen sie den Preis von Gold. Wir fangen gerade erst an, unsere selbstverständlichen Interessen zu wahren."

Geschäftsmodell Deutschland in Gefahr

Monopole dienen einer solchen Interessenpolitik am besten. Was wir derzeit erleben, ist eine Art „Lieferantenaufstand", um bisherige Resultate der Globalisierung zu korrigieren. Das bedroht das Geschäftsmodell Deutschland.

Es lebte davon, überallhin auf der Welt Maschinen, Anlagen und Autos zu exportieren und das Schmutzgeschäft der Rohstoffe anderen zu überlassen. „Wir werden in den kommenden Jahrzehnten viel mehr Streit um Rohstoffe haben", prophezeit Wirtschaftsprofessor Feld: „Volkswirtschaften sind abhängig davon."

>> Lesen Sie hier: » Japan zeigt, wie ein Land Rohstoffsouveränität erreichen kann

Helfen kann da nur die schnelle Reduzierung bestehender Lieferabhängigkeiten. Lösungsmodell Diversifizierung: Länder wie Deutschland, Frankreich, Japan oder die USA müssen neue Lieferanten gewinnen und internationale Abkommen schließen, so wie es China und Russland auch getan haben.

Die EU erließ sogar ein neues Gesetz („Raw Materials Act"), damit die Mitgliedstaaten die „Geopolitik der Lieferketten" lernen. Ein EU-Papier listet „kritische Rohstoffe" auf, die für den grünen und digitalen Wandel gebraucht werden – und die künftig seltener aus China kommen sollen. Eine Rohstoffallianz gibt es mit der Ukraine, auch Serbien und afrikanische Länder sind als Partner vorgesehen.

Überall in Europa wird nach Lithium gesucht, doch wegen möglicher Umweltlasten protestierten die Menschen im Norden Portugals genauso wie im spanischen Cáceres. Eine Tochter des australischen Konzerns » Vulcan Energy versucht am deutschen Oberrheingraben, langfristig mit Lithium-Schätzen die deutsche Autoindustrie zu versorgen.

Aber das wird dauern. Eher schon könnten Versuche fruchten, über ein besseres Recycling wichtiger Materialien für Nachschub zu sorgen, etwa über eine „European Raw Materials Alliance" der EU.

So gelingt die Rettung der Sozialen Marktwirtschaft

Daten, Kapital und Rohstoffe sind die wichtigsten Produktionsfaktoren moderner Volkswirtschaften. Bei allen drei Kategorien findet sich ein beständiger, aber auch gefährlicher Trend zur Monopolisierung.
Es entstanden neue Giganten, voluminöse „Machtkörper" (Eucken) – und es droht jene „unternehmerische Plan- und Zwangswirtschaft", vor der schon Ludwig Erhard einst warnte.

Keine Frage: Wie wir mit dem „Monopol des 21. Jahrhunderts" umgehen, wird die Debatte beherrschen. Sie hat gerade erst angefangen. Da gibt es Industrielle wie den » Siemens-Energy-Aufsichtsratschef Joe Kaeser, der von „archaischen Wettbewerbsregeln" in Europa spricht. Er möchte den Staatsmonopolen Chinas am liebsten per Fusion gestärkte „europäische Champions" gegenüberstellen.

Mindestens

100

Milliarden Dollar

Steuern sparten sich die digitalen „Big Five" und Netflix in den vergangenen zehn Jahren trickreich, will die NGO „Tax Fair Foundation" herausgefunden haben.

Diesen vulgär-industriepolitischen Plan teilte auch Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er war alarmiert, nachdem er auf einer Wirtschaftstagung mit dem einstigen Wirtschaftsprofessor Hal » Varian, heute Chefökonom bei Google, diskutiert hatte.

Altmeiers Lobpreisung der heimischen Wirtschaft beim „Internet of Things" in der Industrieproduktion beantwortete der Amerikaner lakonisch: „Yes, you know, we just could buy these things." Politik plant, das moderne Monopol kauft dazu.

In seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert" hat der französische Ökonom Thomas Piketty beschrieben, wie Kapitalgewinne stärker als Volkswirtschaften wachsen. Von Wettbewerbsbedingungen war da kaum die Rede. Dabei ist es gerade die Monopolisierung bei Daten, Finanzen und Rohstoffen, die zur einseitigen Verteilung von Geld führt: 0,01 Prozent der Weltbevölkerung vereinigen elf Prozent des Weltvermögens auf sich.

Ein Grund dafür ist extreme Steuervermeidung der Monopolisten über Steueroasen. Die NGO „Tax Fair Foundation" errechnete, dass sich die digitalen „Big Five" und » Netflix in den letzten zehn Jahren trickreich, aber legal, mindestens 100 Milliarden Dollar an Steuern erspart hätten.

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Eine Korrektur der Verhältnisse ist schwierig. Es liegt eine „Ungleichheit der Waffen" vor: Hier kapitalstarke Unternehmen mit Trupps von Beratern, Anwälten und PR-Spezialisten, dort eine Politik mit schwankenden Präferenzen und schlecht ausgestatteten Wettbewerbsbehörden.

In der Praxis gehe es nicht nur um ökonomische Größen wie Preis, Kosten oder Marktanteil, sagt der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Jens Südekum: „Es kommt dann der politische Faktor dazu, die Macht. Wenn Firmen zu groß und zu mächtig werden, setzen sie die ganzen Mechanismen des Lobbyismus ein. Dann stellt sich die Frage nach der politischen Kontrolle, etwa bei der Steuervermeidung. Das steckt in den klassischen wettbewerbsökonomischen Modellen überhaupt nicht drin."

Es geht also um nichts weniger als einen Neustart des Kapitalismus und ein Ende verfestigter Märkte. Eine große Rolle müssen dabei Start-ups spielen, die am Ende nicht bei irgendeinem‧ Tech-Konzern oder in Börsenspielen landen, sondern den innovativen Mittelstand von morgen bilden.

Diversität sorgt auf Sicht für stabilere Verhältnisse als Monokulturen. Die beste Gegenwehr gegen Monopole kommt aus dem Markt selbst, von einer „echten Marktdemokratie" (Müller-Armack) mit Familienunternehmern, dem Gegenmodell zu anonymem Börsenkapital.

Darauf weist auch Bernhard Simon hin, Gesellschafter und Aufsichtsratschef des Logistikunternehmens Dachser aus Kempten: „Die Frage ist nur, ob die Politik noch versteht, was den deutschen Familienkapitalismus so wertvoll macht. Das ist ein Schatz, der für den Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts enorm wichtig ist."

Mehr: » „Wer Kapital aufnehmen muss, hat es schwer": Gründerszene ist besorgt wegen Wirtschaftskrise

Erstpublikation: 07.10.22, 04:00 Uhr.

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8 Kommentare zu "Monopole: Wie Konzerne wie Apple, Microsoft und Co. Wohlstand abschöpfen"

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  • Die Politik muss Steuern damit die Wirtschaft besser Rudern kann - nur tut sie das??? Die Rechnung geht immer zu Lasten des kleinen Mannes und das ist seit Jahrhunderten schon so. Mit der modernen Kommunikation sollten aber weltweit Menschen AUFSTEHEN das System Ausbeutung boykottieren. Und zudem Aufklären: Die EU, Deutschland und weltweit muss uns klarwerden, es braucht Investitionen, damit die neuen Technologien zur Energienutzung in den Markt kommen. Ich hörte von der Neutrinovoltaic. Diese neueste Technologie kann uns ganz schnell nach vorne bringen. Quasi Energie aus der Luft Tanken auch für UNENDLICHE REICHWEITE IN DER ELEKTROMOBILITÄT. Die Neutrino-Technologie bringt, vergleichbar mit der Abnabelung von der Steckdose & Grosskraftwerkversorgung, wie dereinst die Abkabelung von der Festnetztelefonie zur heutigen smarten Mobilfunktelefonie, enorme Vorteile. Die innovative Schlüsseltechnologien ist sauber, mobil, dezentral und DANN NOCH 50% günstiger als Solarenergie. Es sind selbstladende Power Cubes mit der Neutrinovoltaic, sie bieten enormem Fortschritt - eine Grundlastfähige Energienutzung 24h x 365Tage, was Wind- und Solarenergie nicht bieten können, da sie nicht kontinuierlich vorhanden sind. Wussten Sie, dass selbst die Stanford University in einem Report zu Innovativsten Technologien für 2022 über die Neutrinovoltaic berichten? Ich sah zuletzt im Berlin TV Nahaufnahme einen Bericht über die Berliner Neutrino-Energy Group und ihre internationalen Partner. China, Indien und UK gehen bereits für diese Alternative mit der Neutrinovoltaic in Planung und haben Budgets in Milliardenhöhe zugesichert. Investitionen sollten den Stein ins Rollen bringen, für eine gerechtere Zukunft mit unendlicher Energiequelle überall weltweit. Darüber muss endlich berichtet werden.

  • Fast jeder weiß und kennt dies, mit einer großen Ausnahme:
    unsere "Ampelregierung".
    Wie dumm ist man bzw. wie doof kann man sich anstellen bzw. verstellen.
    Ist ja auch egal, Hauptsache die eigene Brieftasche bleibt gut gefüllt.

    Dafür sorgen natürlich auch die "blinden" Wähler.
    Allen ein schönes, sonniges, Wochenende.

  • Dass Venezuela nahezu aus dem Wettbewerb ausgeschlossen ist, durch Sanktionen, ist eine Unverschämtheit seitens der Politik. Venezuela hat vermutlich mehr Ölreserven als Saudi Arabien. Die sozialisitischen Experimente in Venezuela sollten einem egal sein, Hauptsache sie liefern Öl in den Weltmarkt. Eine sozialistische Ansteckung anderer Länder in Südamerika ist ausgeschlossen, denn dort gibt es diesen Ölreichtum nicht.

  • Bei der Energie sind Weltkonzerne wie Exoon, BP, sowie arabische Energie-Staatskonzerne, die die Lieferketten fest im Griff haben, etwas zu kurz gekommen gegen die böse Gazprom und Putin.

    Schade eigentlich. Auch schade, dass jeder halbwegs fundierter Artikel derzeit mit dem bösen Putin enden muss.

  • Wie könnten Start-Ups ein Ausweg sein? Ich bin selbst Gründer und kenne die Szene ziemlich gut.
    Fast alle Startups möchten VC Finanzierung, deren klares Ziel wiederrum die möglichst schnelle Realisierung des Firmenwertes ist. Und das immer mehr durch Verkauf, kaum noch doch IPO. Und der Verkauf ist dann an genau die Finanzstarken marktbeherrschenden Player die hier erwähnt werden. Und selbst wenn nicht, Peter Thiels "Competition is for losers" Gedanke ist für viele Gründer ein Leitgedanke, insbesondere im Tech Bereich.

    Abgesehen davon gibt es wenige Startups die es mit etablierten Playern aufnehmen, das ist keine gängige Strategie. Ich finde es keinesfalls ausgeschlossen; daher würde mich die Ausarbeitung dieser Frage in einem Folgeartikel sehr interessieren.

  • Und wenn man sich dann noch die EIGENTÜMERSTRUKTUR dieser Kartelle anschaut, dann kommt man sehr schnell da drauf, dass Black Rock und Vanguard als „alles bestimmende Spinne im Netz" mit einer Machtfülle ausgestattet ist, wie sie die Welt noch nie gesehen hat.

    In diesem Sinne zeigt sich das alljährliche Treffen des Wirtschaftsforum WEF in Davos als regelmäßige Betriebsversammlung von BlackRock, in dem sich die angestellten Führer der Corporates ihr Briefing zur weiteren künftigen Ausrichtung von ihrem bestimmenden Eigentümer abholen dürfen.

  • Das nenn' ich mal unbequemen investigativen Journalismus - gerade eben, weil er die UNBEQUEMEN Wahrheiten beleuchtet.

    Ein inzwischen selten rares Gut.

    Vielen Dank, Herr Jakobs.

  • Ist ja nett, dass das HB auch da ankoimmt, wo die Anstalt schon vor ein paar Jahren mit der Sendung über die Mont-Pellerin-Gesellschaft war.
    Sie müssen aber Ihre Gläser korrigieren. Wieso schreiben Sie:"stoßen dort auf riesige Staatskonzerne autoritärer Staaten wie Russland und China."?
    Ist z.B. Saudi-Arabien nicht auch ein autoritärer Staat mit einem Gemisch an Global Playern und dem Ehrgeiz, dass am saudischen Wesen die Welt genesen müsse?

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