SFH-0759
Österreich weigert sich seit dem Sommer 2004, eine Entscheidung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen anzuerkennen
Dr. Perterer war bis zu seiner Entlassung im März 2001 Amtsleiter der Marktgemeinde Saalfelden im Bundesland Salzburg. Das Disziplinarverfahren zog sich in drei Rechtsdurchgängen über mehr als 5 Jahre hin. Im letzten Durchgang des Disziplinarverfahrens wurde alle Rechtsgrundsätze eines fairen Verfahrens über Bord geworfen. Es wurden zwar 19 Belastungszeugen einvernommen, Zeugen des Beschuldigten zu dessen Entlastung wurden aber erst gar nicht zugelassen, dafür hätte die Zeit nicht mehr gereicht. Es musste das Disziplinarverfahren auf biegen und brechen beendet werden, um einen unbequemen Amtsleiter noch vor Eintritt der Verjährung los zu werden.
Was waren die behaupteten Dienstpflichtverletzungen?
· Mitnahme und Verwahrung privater Gegenstände im Büro
(Dr. Perterer hatte jahrelang seinen privaten Computer für Arbeiten in der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt)
· Privattelefonate
(Dr. Perterer hat diese verrechnet und bezahlt)
· Kurzes Einnicken bei Sitzungen zu später Stunde
(Dr. Perterer nickte tatsächlich bei Sitzungen ein, die fast bis Mitternacht dauerten
kurz ein)
· Fehlstunden durch kranke Drillinge und einen im Sterben liegenden krebskranken Schwiegervater
(Dr. Perterer war bestrebt, eine einvernehmliche Regelung mit dem Bürgermeister zu
finden, was aber abgelehnt wurde)
Am 31. Juli 2001 brachte Univ.-Prof. Dr. Alexander Morawa für Dr. Perterer eine Individualbeschwerde beim Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen ein. Nach drei Jahren stellte der Ausschuss in seinen Views vom 20.07.2004 fest, dass Dr. Perterer in seinem Recht auf ein faires Verfahren durch die Teilnahme befangener Mitglieder der Disziplinarkommission und durch die lange Verfahrensdauer verletzt worden sei.
Österreich wurde in Punkt 12.) der Views vom 20.07.2004 als Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (CCPR) verpflichtet, dem Beschwerdeführer ein wirksames Rechtsmittel zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig eine angemessene Entschädigungszahlung zu leisten.
Die hiefür zuständigen Stellen von Bund und Land waren zu keinem Gespräch bereit und lehnten auch einen Vergleichsvorschlag ab. Dies obwohl sich Österreich im CCPR vertraglich verpflichtet hat erfolgreichen Beschwerden Geltung zu verschaffen.
So wurde, um keine Fristen zu verlieren, am 4. August 2005 beim Landesgericht Salzburg eine Staatshaftungsklage gegen das Land Salzburg und die Republik Österreich eingebracht. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde die Klage in 1. und auch in 2. Instanz abgewiesen. Allerdings hat das Oberlandesgericht Linz in seinem Urteil vom 12.10.2007 eine ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zugelassen, weil es zu den Rechtswirkungen der Views noch keine Judikatur gibt.
Eine Klage beim Verfassungsgerichtshof blieb erfolglos. Dieser stellte in seiner Entscheidung am 25.08.2006 fest, dass weder aus der Europäischen Menschenrechtskonvention noch aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ein unmittelbarer Staatshaftungsanspruch abgeleitet werden könne. Gegen diese Entscheidung wurde am 10.04.2007 eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht.
Jetzt wird sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob Österreich als Vertragsstaat des CCPR auch der Grundsatz „pacta sunt servanda" gilt, oder nicht. Diesen Grundsatz hat die bestehende Koalitionsregierung sogar als Präambel in Ihre Regierungserklärung aufgenommen.
Der Nationalrat hat am 28.06.1978 den Abschluss dieses Staatsvertrages genehmigt und gleichzeitig beschlossen, dass der CCPR durch nachfolgende Gesetze zu erfüllen ist (Erfüllungsvorbehalt). Dieser Erfüllungsvorbehalt kann jedoch kein Freibrief für die Regierung sein, jetzt nach fast 30 Jahren noch immer keine entsprechenden legislativen Maßnahmen getroffen zu haben, damit Views des Menschenrechtsausschusses anerkannt werden und notfalls auch einklagbar sind.
Dieses jahrzehntelange Versäumnis kann nicht als Begründung dafür herangezogen werden, dass Österreich nicht an die Views des Ausschusses gebunden sei.
Somit darf man mit großer Spannung auf die Entscheidung des OGH warten. Diese wird nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene ein Meilenstein für die Durchsetzung von Menschenrechten sein, wenn sich der OGH dazu aufrafft, festzustellen, dass Österreich als Vertragsstaat des CCPR verpflichtet ist, erfolgreichen Beschwerden Geltung zu verschaffen.
Saalbach, am 11.11.2007
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